[Consumer & Retail-Information vom 29. April 2021]

Der Tag des Deutschen Bieres am 23. April 2021 stand unter keinem guten Vorzeichen. Auch mehr als ein Jahr nach Beginn des ersten Lockdowns hat sich die Situation für die deutsche Brauwirtschaft nicht entspannt. Im Gegenteil: Im nunmehr dritten Lockdown angekommen und ohne konkrete Hinweise auf eine baldige Normalisierung, ist sie eine der Branchen, die massiv unter den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie leidet. Der Deutsche Brauer-Bund (DBB) spricht mit Blick auf die Absatzrückgänge von „historischen Dimensionen“ und einer Situation, die „in der Nachkriegszeit ohne Beispiel“ für die Branche ist. Deutliche Worte, welche aber nicht die zum Teil prekäre Situation insbesondere kleiner und mittelständischer Brauereien in Deutschland überzeichnen.

Deutlicher Absatzrückgang

Seit März 2020 summiert sich die Zeit, in der aufgrund des Coronavirus keine Großveranstaltungen stattfinden konnten und die Gastronomie geschlossen bleiben musste, auf ungefähr acht Monate. In Anbetracht dieses Zeitraums ist es wenig überraschend, dass die deutsche Brauwirtschaft das Jahr 2020 mit erheblichen Absatzrückgängen beendete. Laut Statistischem Bundesamt sank der Bierabsatz im vergangenen Jahr um 5,5 % auf 8,7 Mrd. Liter, alkoholfreies Bier und Biermischgetränke nicht mitgerechnet. Allein im April und Mai 2020, also während des ersten Lockdowns, brach der Absatz um 17 % bzw. 13 % ein. Der DBB berichtet, dass die von ihm befragten Brauereien 2020 im Mittel einen um 23 % rückläufigen Umsatz hinnehmen mussten.

Dieser Wert verzerrt allerdings den Blick auf die Lage bei kleinen und mittelständischen Betrieben, die in der Regel regional verwurzelt sind und nicht selten einen überwiegenden Teil ihres Umsatzes mit dem Absatz an die Gastronomie bzw. bei Großveranstaltungen wie Festivals oder Konzerten erzielen. Dort liegt das Umsatzminus in der Spitze bei bis zu 70 % im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 und erreicht damit existenzbedrohende Dimensionen. Dies bestätigt auch eine Umfrage des DBB, der zu Folge sich jeder vierte Betrieb in seiner Existenz bedroht sieht, sollte es nicht zeitnah zu weitreichenden und nachhaltigen Öffnungsschritten im Gastgewerbe kommen.

Der Lebensmitteleinzelhandel und einzelne Warengruppen wirken stabilisierend

Etwas anders ist die Lage bei großen Brauereien, die mit einer anderen Absatzstruktur in Summe besser durch die Krise gekommen sind. Zwar sind auch dort die Einschläge durch den Wegfall des Gastronomiegeschäfts deutlich; sie sind jedoch nicht mit den Auswirkungen auf kleine und mittelständische Betriebe vergleichbar. Die Bitburger Braugruppe beispielweise verzeichnete im vergangenen Jahr einen Umsatzrückgang im Gastronomiegeschäft um mehr als 50 %, während die Marke Bitburger den Absatz im Handel deutlich ausbauen konnte. Bei der Brauerei Veltins ging der Fassbierabsatz um 56 % zurück, gleichzeitig wuchs das Geschäft im Handel um mehr als 7 %. Ähnliches berichten weitere Brauereien wie die Radeberger Gruppe oder die Krombacher Brauereigruppe.

Dies lag zum einen an der Verlagerung des Bierkonsums in das Off-Trade-Segment und damit einhergehend steigenden Umsätzen im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und im Getränkefachhandel, die insbesondere für die großen Brauereien wichtige Absatzkanäle darstellen. Zum anderen entwickelten sich einzelne Warengruppen positiv. So verzeichnete alkoholfreies Pils laut des Marktforschungsinstituts Nielsen im vergangenen Jahr ein deutliches Absatzplus von 6,2 % gegenüber 2019, alkoholfreie Biermischgetränke erreichten sogar ein Plus von 16,5 %. Der Marktanteil alkoholfreier Biere lag im LEH im Jahr 2020 demnach bei rd. 7 %, Tendenz steigend. Neu ist der Siegeszug alkoholfreier Biere und Biermischgetränke nicht, allerdings beschleunigt die Pandemie bestehende Trends. Denn es fehlt der „Geselligkeitsfaktor“, da private und öffentliche Feiern nicht stattfinden können. Außerdem rückt gerade bei jungen Verbrauchern das Bewusstsein für eine gesündere Lebensweise weiter in den Fokus, was  einen geringeren Alkoholkonsum zur Folge hat.

Trotz der teilweisen Kompensation des fehlenden Außer-Haus-Geschäfts durch zusätzliche Off-Trade-Absätze schlägt sich diese Verschiebung negativ in den Bilanzen der Brauer nieder, da selbst bei größeren Brauereien ein erheblicher Teil der Wertschöpfung durch den im Vergleich zum Flaschenbier margenstärkeren Fassbierabsatz entfällt.

Wie geht es weiter?

Die Branche wird auch in den nächsten Monaten weiterhin unter Druck stehen, da es noch keine verlässliche Öffnungsperspektive für die Gastronomie gibt und Großveranstaltungen auf absehbare Zeit nicht stattfinden werden. An „Rock am Ring“ oder das Oktoberfest ist derzeit nicht zu denken. Die für die deutschen Brauereien wichtige Fußball-Europameisterschaft wird zwar ausgetragen, aufgrund der Umstände ist es jedoch schwer vorstellbar, dass sich hieraus die üblichen Nachfrageimpulse ergeben.  

So bleibt weiterhin ausschließlich der Absatzkanal im Handel intakt, der für viele Marktteilnehmer allerdings keine adäquate Kompensation ausgefallener Umsätze aus dem Gastronomie- und Veranstaltungsgeschäft darstellt. Entsprechend wird sich für viele Betriebe die Perspektive erst spürbar verbessern, wenn es im Zuge der aktuellen Impfkampagne und einer fortschreitenden Immunisierung der Bevölkerung zu nachhaltigen Öffnungen der Gastronomie kommen wird. Nach aktuellem Stand könnte dies, bei einer derzeit dynamisch wachsenden Zahl von Impfungen, im Verlauf der zweiten Jahreshälfte der Fall sein. Zu einer Rückkehr zum Vorkrisenniveau dürfte es aber frühestens im nächsten Jahr kommen, falls die Pandemie in Deutschland vollständig überwunden ist und ein weitgehend normaler Alltag ohne Masken und Abstände sowie mit privaten und öffentlichen Veranstaltungen möglich ist. Mit der Rückkehr der Fassbierabsätze wird sich dann auch die Ertragssituation signifikant verbessern und ein Teil der Mehrabsätze im Bereich alkoholfreier Biere sollte ebenfalls Bestand haben.

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Dennis Rheinsberg
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