[IKB-Kapitalmarkt-News vom 29. März 2018] Die Branchen des deutschen Verarbeitenden Gewerbes sind mit viel Rückenwind ins Jahr 2018 gestartet. Jüngste Produktionsdaten für Januar bestätigen die aktuell hohe Wachstumsdynamik. Und selbst ein etwas moderateres Tempo sollte aufgrund des bereits erreichten hohen Produktionsniveaus sowie des stabilen deutschen Konjunkturverlaufs für solide Wachstumszahlen für die Jahre 2018 und 2019 sorgen. Doch ist für das primär exportgetriebene Verarbeitende Gewerbe der deutsche Konjunkturverlauf die richtige Referenzgröße oder sollte die globale Konjunktur im Fokus stehen?
Deutsche Konjunktur und Weltwirtschaftswachstum
In den letzten Jahren wurde immer wieder darauf verwiesen, dass der private Konsum als Säule des deutschen Wachstums an Bedeutung gewonnen hat und die Wirtschaftsdynamik damit breiter aufgestellt ist. So hat der private Konsum zwischen 2000 und 2017 durchschnittlich rund 0,5 Prozentpunkte pro Jahr zur Dynamik beigetragen, in den letzten vier Jahren erhöhte sich der Wachstumsbeitrag sogar auf 0,85 Prozentpunkte. Der gute Arbeitsmarkt und die hohen Reallohnabschlüsse stärkten das verfügbare Einkommen und somit die Möglichkeit für einen höheren privaten Konsum. Diese Entwicklung lässt vermuten, dass die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von der globalen Konjunktur geringer geworden sein könnte. Die Konsumquote – der Anteil des privaten Konsums am Bruttoinlandsprodukt (BIP) – blieb in den letzten Jahren jedoch stabil, und 2017 ist sie sogar leicht auf 54,6 % zurückgegangen. Den privaten Konsum als zentralen bzw. alleinigen Treiber des deutschen Wachstums anzusehen, erweist sich damit als fraglich.
Empirische Ergebnisse zeigen: Ein Modell, das versucht, die deutsche Konjunktur durch das Weltwachstum zu erklären, unterschätzt die deutschen BIP-Wachstumsraten seit 2013 – wie in Abb. 1 zu erkennen ist. Zudem ist dieser Zusammenhang statistisch nicht signifikant und kann auch durch ein höheres Wachstum des privaten Konsums nicht zufriedenstellend erklärt werden. Auch deuten die statistischen Analysen darauf hin, dass das deutsche BIP-Wachstum einen gewissen Vorlauf zur globalen BIP-Entwicklung hat. Dies dürfte daran liegen, dass Deutschland vor allem Vorleistungs- und Investitionsgüter exportiert, die als konjunkturelle „Frühzykler“ gelten und vor einer anziehenden globalen Produktion reagieren. Somit sollte das globale Wachstum nicht als Indikator für das deutsche BIP-Wachstum angesehen werden. Es müsste eher umgekehrt sein: Das deutsche BIP-Wachstum bzw. der deutsche Export ist ein Indikator für die weltweite Nachfrage nach Vorleistungs- und Investitionsgütern und damit ein Frühindikator für die Weltkonjunktur. Für die Wachstumsprognosen von deutschen Industriebranchen zeigen empirischen Ergebnisse, dass trotz der hohen Exportquote dieser Branchen der deutsche Konjunkturverlauf die zentrale Bestimmungsgröße ist und den größten Erklärungsbeitrag liefert.
Branchendynamik und Ausblick
Der Einfluss der Industriebranchen und der Exporte ist für die deutsche Gesamtwirtschaft doch um einiges bedeutender als es deren Anteile am BIP vermuten lassen. So werden auch die Investitionen und die hohen Löhne maßgeblich durch den Produktionsausblick im Verarbeitenden Gewerbe bestimmt. Empirische Ergebnisse zeigen, dass der deutsche Konjunkturverlauf – auch als möglicher Vorreiter für die globale Konjunktur – einen maßgeblichen Erklärungsbeitrag für das Produktionswachstum vieler deutscher Industriebranchen aufweist. Branchen wie die Automobilindustrie oder der Maschinenbau, bei denen ein hoher Anteil der Produktion für den Export bestimmt ist, zeigen einen extrem hohen Gleichlauf mit der deutschen Konjunktur. Abb. 2 zeigt den Erklärungsbeitrag der deutschen Konjunktur für das Produktionswachstum bedeutender Branchen. So resultieren bis zu 90 % des Produktionswachstums vieler Branchen aus der deutschen Konjunktur. Diese Schätzungen haben sich über die Jahre – und trotz der oft betonten höheren Bedeutung des privaten Konsums – nicht nennenswert verändert.
Konjunkturelle Frühindikatoren signalisieren, dass sich die deutsche Konjunkturdynamik kurzfristig etwas eintrüben könnte. Da dies jedoch weniger auf das abrupte Ende eines Investitionsbooms, sondern eher auf der Relativierung von Erwartungen beruht, ist mit keinem bedeutenden Einbruch der deutschen Wachstumsdynamik zu rechnen (siehe auch IKB-Kapitalmarkt-News vom 23. März 2018). Die IKB, deren Prognosen in den letzten Jahren immer am oberen Ende des Prognosespektrums lagen, erwartet für 2018 ein BIP-Wachstum von 2,3 % – deutlich unter der oberen Erwartungsgrenze anderer Institute. Das Prognoserisiko ist somit weiterhin und trotz sich eintrübender Frühindikatoren als ausgeglichen anzusehen. Tabelle 1 zeigt den Produktionsausblick bedeutender deutscher Industriebranchen. Für das kommende Jahr wird generell mit einer weiteren Abkühlung der Wachstumsdynamik gerechnet, die sich aufgrund der hohen Sensitivität des Verarbeitenden Gewerbes zum konjunkturellen Verlauf in den einzelnen Industrien stärker auswirken könnte. Zudem bleibt das Prognoserisiko angesichts der politischen Unsicherheiten relativ hoch.
Fazit
Der deutsche Konjunkturverlauf ist trotz der hohen Exportquote die entscheidende Bestimmungsgröße für den Produktionsausblick der Industriebranchen. Denn die globale Konjunktur selbst scheint ein Nachzügler der deutschen Konjunkturdynamik zu sein, was auf den hohen Anteil von Vorleistungs- und Investitionsgütern am deutschen Export zurückzuführen ist. Aufgrund der hohen Sensitivität des Verarbeitenden Gewerbes zum deutschen Konjunkturverlauf bleibt zwar der kurzfristige Ausblick 2018 für das Verarbeitende Gewerbe nach wie vor durchweg positiv, auch wenn das Wachstumsniveau von 2017 nicht erreicht werden sollte. Allerdings könnten sich die mittelfristigen Perspektiven ab 2019 aufgrund zunehmender politischer Risiken eintrüben.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
Hinterlasse einen Kommentar