„Heißer Sommer macht Brauereien glücklich“; so oder ähnlich titelte die Presse im Herbst des letzten Jahres nach dem sonnigen und warmen Wetter seit dem Frühjahr, das den Bierkonsum angeschoben hatte. Temporär war in einzelnen Regionen sogar das Leergut knapp geworden. Was am Ende für die Brauer blieb, war ein Absatzplus von ca. 1 % gegenüber dem „Normaljahr“ 2017 und damit nur eine bescheidene Erholung vom langfristigen Negativtrend.
Die Entwicklung ist eindeutig. Mittlerweile wird in Deutschland rund ein Viertel weniger Bier getrunken als nach der Wiedervereinigung, der Pro-Kopf-Konsum sank auf ca. 101 Liter p.a.
Der Bierabsatz inländischer Brauereien lag 2018 insgesamt bei rund 94 Mio. Hektolitern (ohne alkoholfreies Bier), wovon 83 % im Inland abgesetzt wurden. Obwohl sich der Export von Bier in den vergangenen 25 Jahren mehr als verdoppelt hat, bestimmt die Entwicklung auf dem Heimatmarkt über die Jahresbilanz der Branche.
Biermischgetränke und alkoholfreies Bier, das nicht in der offiziellen Absatzstatistik von Bier geführt wird, haben hingegen im letzten Jahr deutlich zweistellig zugelegt. Während der steigende Konsum von alkoholfreiem Bier und Biermix nachhaltig ist, war das Absatzplus bei alkoholhaltigen Biermischgetränken mehr oder minder witterungsbedingt. Das unterstreicht den potenziellen Rückschlageffekt, sollten dieses Jahr ausreichend warme und sonnige Tagen ausbleiben.
Aber die Branche ist gut in das laufende Jahr gestartet und kann ein Absatzplus in den ersten drei Monaten verbuchen. Im Trend erwartet die IKB mittelfristig jedoch ein jährliches Minus von 1 – 2 % für den Inlandsabsatz von Bier.
„Bier braucht Heimat“ – Bier braucht Ertrag und Innovation
Die deutschen Brauer nutzten das vergangene Jahr, um die Umsätze durch Preiserhöhungen in einer Range von 2 bis 5 % je nach Region und Sorte zum Teil signifikant auszuweiten.
Bei insbesondere steigenden Personal- und vor allem Logistikkosten waren die Erhöhungen aber auch notwendig, um das Ertragsniveau zumindest abzusichern. Sollten sich durch die anhaltende Trockenheit abzeichnende negative Auswirkungen z.B. auf Mengen und Qualitäten von Braugerste ergeben, wird das Preisniveau bei den Rohstoffen hoch bleiben bzw. nochmals steigen. Bleibt zu hoffen, dass die Branche die Absatzpreise halten kann.
Obwohl immer noch drei von vier Kästen Bier im Lebensmitteleinzelhandel und in Getränkeabholmärkten über Aktionspreise verkauft werden, hat der Craft Beer-Trend dazu geführt, dass der Verbraucher für höhere Preise sensibilisiert wurde und bei entsprechendem Angebot bereit ist, auch weit überdurchschnittliche Verkaufspreise zu akzeptieren. Die Ausgestaltung eines hierfür notwendigen Angebotes kann unter dem Schlagwort Wertstrategie zusammengefasst werden. Die zu besetzenden Claims sind hierbei vor allem Qualität und Geschmack, Herkunft und Regionalität sowie Innovation und Alternativen zum Mainstream.
Alkoholfreies Bier mit mittlerweile ca. 7 % Anteil am gesamten Bierabsatz hat im vergangenen Jahr um etwa 13 % zugelegt, bei alkoholfreien Biermischgetränken waren es sogar mehr als 20 %. Dieser Trend wird sich in abgeschwächter Form fortsetzen und sowohl Nachfrage aus dem alkoholhaltigen Segment abziehen als auch neue Konsumentengruppen erschließen, etwa aus der weiblichen Zielgruppe. Leichte alkoholfreie Biere bilden den Gegenpol zum Kern des Craft Beer-Trends mit ausgeprägten Hopfenaromen oder malzigen Noten.
Über die Produktkategorie Fassbrause kommend, wird sich nach unserer Einschätzung die Lücke zwischen klassischem Bier und traditionellen alkoholfreien Getränken, respektive Soft Drinks weiter schließen. Eine Arrondierung bzw. Erweiterung des Portfolios – von einigen Braugruppen bereits als Gruppenstrategie betrieben – bietet die Möglichkeit, den Verbraucher nicht nur als Bierkonsument zu binden, sondern als Kunde von Getränken. Im Idealfall bedienen neue Produkte mehrere der o.g. Claims, wie beispielsweise das von der Karlsberg Brauerei Anfang 2016 auf den deutschen Markt gebrachte „Bundaberg Ginger Brew“, eine gebraute Premiumlimonade mit Ingwer-Geschmack. Erfolgreich als Qualitätsprodukt mit entsprechender Wertschöpfung positioniert, wächst der Umsatz seit drei Jahren dynamisch und die vermentierte Limonade wird mittlerweile national distribuiert.
Innovationsfähigkeit und die Öffnung für Neues sind auch bei der Distribution gefragt. Auf Endverbraucherebene sehen wir neue digitalisierte Lieferdienste wie „flaschenpost“ oder „Durst“, die zulasten der stationären Points of Sale insb. in Großstädten und Ballungsgebieten nachhaltig Absatzvolumina binden werden. Plattformen wie „Team Beverage“ oder „Kollex“ ändern das Geschäftsmodell des Getränkefachgroßhandels (GFGH) als wichtigstem Absatzkanal für die Brauer ebenfalls auf Basis der Digitalisierung. Die Folge der Veränderungen auf beiden Ebenen wird aus Sicht der IKB eine weitere Ausdünnung der GFGH-Landschaft sein.
Keine Innovation, sondern mehr ein Revival: „Die Dose ist wieder da“. Fast komplett verschwunden, etabliert sich Dosenbier wieder als beliebte Gebindeform und kommt aktuell bereits auf einen Marktanteil von 8 %. Für die kommenden Jahre sehen wir weitere Verschiebungen zu Gunsten der Dose und zeitnah bereits einen Marktanteil >10 %.
Die Branche muss sich herausfordernden Rahmenbedingungen stellen und entsprechend agieren. Neben innovativen Produkt- und Vermarktungskonzepten im anhaltend intensiven Wettbewerb für die Brauer gehören hierzu ebenso effiziente Brau-, Abfüll- und Logistikstrukturen und entsprechende Investitionen in den aktuellen Stand der (digitalen) Technik. Gute Sommer reichen nicht aus, um nachhaltig erfolgreich zu sein.
Johannes Sausen ist Direktor und Leiter des Sektorvertriebs der IKB sowie Head of Consumer, Retail, Logistics & TMT. Sein persönlicher Branchenschwerpunkt liegt in den Bereichen Consumer Food, ausgewählten Consumer Nonfood-Segmenten sowie im Einzelhandel. Er ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank in den genannten Branchen. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln hat er seine ersten fünf Berufsjahre bei einer Unternehmensberatung absolviert, bevor er 1999 zur IKB stieß.
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