[Consumer & Retail-Information vom 14. Mai 2020]
Mit Blick auf die Hiobsbotschaften von Händlern, die vom Shutdown betroffen waren, könnte man meinen, dass die Do-it-yourself-Branche (DIY) neben dem Lebensmitteleinzelhandel Gewinner der aktuellen Coronakrise ist. Bau-, Garten- und Heimwerkermärkte durften in den meisten Bundesländern durchgehend geöffnet bleiben. Das ist wichtig für die Branche, denn der Shutdown kam während der umsatzstärksten Zeit im Jahr. Bilder von langen Schlangen vor den Märkten unterstützen diese Annahme und suggerieren einen Ansturm auch mangels Alternativen.
Lange Schlangen nicht gleichbedeutend mit hohen Umsätzen
Auch wenn die Schlangen lang waren und noch sind, liegt dies nicht an der großen Anzahl an Kunden, sondern an den strengen Zutrittsbeschränkungen, die seit dem 18. März 2020 gelten. Aufgrund der Abstandsregeln dürfen sich nur zwei bis drei Kunden auf einer Ladenfläche von 100 qm aufhalten. Die Konsequenz ist ein deutlicher Rückgang der Kundenfrequenz, einhergehend mit im Vergleich zum Vorjahr sinkenden Umsätzen. Zudem musste die Branche ihre Läden in einigen Bundesländern dennoch vorübergehend schließen; davon betroffen war laut Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten (BHB) immerhin ein Drittel der rund 2100 Bau- und Gartenfachmärkte.
Eine Störung des Betriebs in den Monaten März, April und Mai ist besonders schmerzhaft, da nach dem IFH Köln in diesem Zeitraum knapp über 30 % des Jahresumsatzes erwirtschaftet werden. Der Frühling ist die Zeit, in der Reparaturen im, am und um das Haus erfolgen sowie Terrassen, Balkone und Gärten gestaltet oder neu dekoriert werden.
Die Coronakrise führt kurzfristig zu Umsatzeinbußen, kann sich aber auch als Treiber herausstellen
Auch die DIY-Branche muss kurzfristig Umsatzeinbußen verkraften, die vorübergehende Schließung von Märkten sowie die geringe Frequenz hinterlassen ihre Spuren. Der klassische DIY-Markt hatte 2019 ein Volumen von rund 47 Mrd. €. Aufgrund des hohen Umsatzanteils in den Frühlingsmonaten muss davon ausgegangen werden, dass die Umsatzeinbußen im mittleren einstelligen Milliardenbereich liegen werden. Der in der Krise stark gestiegene Online-Umsatz – 4 Mrd. € Umsatz im Jahr 2019 – kann die Umsatzeinbußen des stationären Handels zwar aktuell nicht kompensieren, mindert diese aber immerhin. Die DIY-Branche kann in den nächsten Monaten allerdings auf Nachholeffekte in einzelnen Sortimenten hoffen. Viele Produkte, die im März, April oder Mai nicht verkauft werden, könnten im Juni und Juli ihre Käufer finden. Das gilt allerdings weitgehend nicht für die Warengruppe lebendes Grün. Zudem sollten geänderte Urlaubsplanungen Impulse für Renovierungsarbeiten und Gartengestaltung bringen. Selbst wenn nicht alle Verluste wettgemacht werden können, steht der DIY- und Gartenmarkt 2020 deutlich besser da als andere Branchen – wie etwa Fashion-Retail.
Steigende Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit werden unweigerlich Kaufkraft kosten und sich negativ auf die Nachfrage im DIY- und Gartenmarkt auswirken. Gleichzeitig kann der Markt gerade aufgrund dieser Entwicklung von zusätzlichen Käufen profitieren. Wie im Retail insgesamt, wird der weitere Umsatz stark davon abhängen, wie schnell die wirtschaftliche Erholung einsetzt und den Einbruch bei Beschäftigung und Einkommen abfedert. Die grundsätzlichen Trends der Branche bleiben bestehen. Aspekte wie Entspannung, Wohlfühlen und Gemütlichkeit im Haus als auch im Garten werden weiterhin Treiber der Branche sein und das Coronavirus könnte diese Entwicklung mittelfristig forcieren. Das Marktforschungs- und Beratungsinstitut Marketmedia24 weist in seiner aktuellen Studie „Branchen-REPORT GardenLiving 2019/2020“ aus, dass der Cocooning-Effekt bereits im April die grundlegenden Trends in verschiedenen Gartensortimenten verstärkt hat.
Daniel Schönekäs ist Abteilungsdirektor im Sektorteam Consumer, Retail, Logistics & Health der IKB. Er ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank in den Branchen Konsumgüter und Handel und im Speziellen für die Bereiche Holzwirtschaft, Papier & Verpackungen zuständig. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Leipzig stieß er 2014 zur IKB, wo er seine ersten Berufsjahre in der volkswirtschaftlichen Abteilung absolvierte.
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