Thesen zum Jahr 2019
Der Brexit birgt das eigentliche Konjunkturrisiko für Deutschland, nicht die US-Handelspolitik: Die US-Handelspolitik erweist sich bis dato als überschaubares Risiko für das weltwirtschaftliche Wachstum. Zudem sollte der Einfluss der Zollanhebungen nicht überbewertet werden, da sie im Kontext von Devisenkursbewegungen gesehen werden müssen. Auch scheint der Fokus der US-Administration nicht auf eine Verringerung des Handels, sondern auf neuen Handelsabkommen zu liegen. Das Risiko, dass der Offenheitsgrad der Weltwirtschaft infolge der US-Handelspolitik abnimmt und damit zu einer deutlichen Belastung für die Weltwirtschaft und das deutsche Verarbeitende Gewerbe wird, ist folglich gering. Ein „harter“ Brexit würde hingegen die deutsche Konjunktur nicht aufgrund der Handelsverflechtungen besonders belasten, sondern auch durch den Vertrauenseinbruch in Europa. Eine schwere britische Rezession würde mit einem zerrütteten Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien einhergehen, was deutlich weitreichendere Implikationen mit sich bringen würde.
Inflationsdruck ist weiterhin kein Thema: Nicht nur der sinkende bzw. niedrige Ölpreis wird für eine rückläufige Inflationsrate sorgen; auch die Kerninflation dürfte 2019 weiterhin moderat verlaufen. Das Wachstum der Lohnstückkosten wird in den USA zurückgehen und bleibt in der Euro-Zone mit ca. 1 % weiterhin auf niedrigem Niveau. Außerdem lässt der Importpreisdruck in der Euro-Zone wieder nach, was durch eine perspektivische Aufwertung des Devisenkurses noch verstärkt wird. Deshalb dürfte die Inflation 2019 eher nach unten überraschen. Da die Geldpolitik im kommenden Jahr jedoch auf die Inflationsentwicklung im Jahr 2020 schauen wird, sollten Prognoserevisionen für 2019 nur einen überschaubaren Einfluss auf die Geldpolitik haben. Das Geldmengenwachstum in der Euro-Zone bleibt allerdings weiter sehr gering und deutet selbst mittelfristig auf keinen bedeutenden Inflationsanstieg hin.
Perspektivische US-Dollar-Schwäche: Eine erwartete Wachstumsverlangsamung in den USA in 2019, aber vor allem in 2020 wird den Handlungsspielraum der Fed einengen. Sie sollte deshalb bereits im Verlauf des nächsten Jahres ihre geldpolitische Straffung beenden. Eine schwächere Wirtschaftsdynamik würde allerdings den Handlungsdruck auf US-Präsident Trump erhöhen, vor allem mit Hinblick auf das Wahljahr 2020. Auch werden Zollanhebungen bzw. neue Verhandlungsvereinbarungen kaum das US-Leistungs-bilanzdefizit nachhaltig reduzieren. Insgesamt könnte dies Trump zu drastischeren Maßnahmen bewegen, z. B. zu einer politisch gewollten US-Dollar-Abwertung.
Kaum Spielraum für anhaltende geldpolitische Wende in der Euro-Zone: Sollte die EZB Ende 2019 bzw. im Jahr 2020 eine geldpolitische Wende einleiten, die über die Abkehr von negativen Zinsen hinausgeht, würde dies im Umfeld einer pausierenden Fed den Aufwertungsdruck des Euro gegenüber dem US-Dollar weiteren Schub verleihen, was wiederum den Handlungsspielraum der EZB einengt. Der hohe Offenheitsgrad der Euro-Zone macht den Devisenkurs zu einer wichtigen geldpolitische Größe, und eine Euro-Aufwertung würde einer geldpolitischen Straffung gleichkommen. Kurzfristig dämpfen weitere Fed-Zinsanhebungen und die Schuldenpolitik mancher Euro-Länder den Aufwertungsdruck des Euro.
Devisenkursvolatilität bleibt ein Thema für Schwellenländer: Zunehmende Unsicherheit über den erwarteten globalen Konjunkturverlauf hat zu einer stärkeren Risikoaversion auf den Finanzmärkten gesorgt, was zu einer Ausweitung der Risikoprämien im Verlauf von 2018 und insbesondere in den letzten Wochen geführt hat. Eine wachsende Risikoaversion bedeutet aber auch, dass die Devisenkurse der Schwellenländer einem erhöhten Abwertungsdruck unterliegen. In einem Umfeld zunehmender Konjunkturrisiken sollten die Devisenkurse der Schwellenländer generell auch 2019 einer hohen Volatilität ausgesetzt sein.
Weltwirtschaft: Bekannte Risiken, neue Unsicherheiten
Weltkonjunktur: besser als gefühlt?
Zweifel an den globalen Wachstumsperspektiven blieben auch 2018 bestehen. Zunehmende Sorgen vor einem unkoordinierten Brexit und einer Eskalation des US-Handelsstreits zwischen den USA und China lassen einen positiven Konjunkturausblick als eher optimistisch erscheinen. Hinzu kommen bekannte Risiken, wie die weiter steigende weltweite Überschuldung, aber auch die ständigen Zweifel an der Nachhaltigkeit der chinesischen Konjunktur.
Zudem enttäuschte die Konjunktur der Euro-Zone im Verlauf von 2018 zunehmend, insbesondere für die deutsche Wirtschaft mussten deutliche Prognoserevisionen vorgenommen werden. Aktuelle Schätzungen für 2018 liegen rund 0,5 Prozentpunkte unter den Wachstumsprognosen zu Jahresanfang. Die Hoffnung, dass nach einer Verschnaufpause in der ersten Jahreshälfte die Dynamik wieder stärker zulegen würde, hat sich, zumindest für Deutschland, nicht bewahrheitet. Doch insgesamt konnte die Weltwirtschaft auch in diesem Jahr überzeugen, trotz Volatilitäten in einigen Schwellenländern. Das Wachstum 2018 sollte dem von 2017 entsprechen, als die Weltwirtschaft die stärkste Dynamik seit 2011 zeigte. So konnten Welthandel und globale Industrieproduktion 2018 trotz des bereits kräftigen Wachstums im Jahr 2017 weiter zulegen. Auch für 2019 sieht die IKB das Risiko eines Handelskonflikts, der die globale Konjunktur spürbar belastet, als eher überschaubar an (siehe auch „Was bedeutet ein eskalierender Handelskonflikt für Deutschland und seine Branche“).
USA: Wieviel Raum hat die Fed?
Die USA waren eine von wenigen Volkswirtschaften, die im Verlauf des Jahres 2018 positiv überraschen konnten. Das US-BIP dürfte 2018 um 2,9 % zugelegt haben. Effekte der Steuerreform, das starke Unternehmer- und Konsumentenvertrauen sowie ein stabiler Zuwachs des verfügbaren Einkommens der US-Haushalte lassen auch für 2019 Optimismus zu (siehe „Wie geht’s eigentlich dem US-Konsumenten?“). Dies sollte der Fed 2019 weiteren Raum geben, ihre Zinsnormalisierung voranzutreiben. Aktuell werden zwischen drei und vier Zinsanhebungen erwartet, die einer Fed-Funds-Rate von 3,25 % bis 3,5 % Ende 2019 entsprächen. Angesichts einer erwarteten Wachstumsverlangsamung in 2020 scheint dies allerdings auch das Ende der Zinsstraffung einzuläuten. Für 2020 ist das Prognoserisiko weiter steigender oder sinkender Zinsen entsprechend ausgeglichen.
Studien deuten darauf hin, dass die US-Zollpolitik negative Auswirkungen auf das US-amerikanische und chinesische Wirtschaftswachstum haben sollte. Dies wiederum könnte den Druck auf den US-Dollar erhöhen, vor allem wenn sich die Fed doch genötigt sieht, zögerlicher die Zinsen anzuheben und eine enttäuschende US-Wirtschaft Handlungsdruck auf US-Präsident Trump auslöst (siehe „Zölle auf chinesische Importe: Positiv für die US-Konjunktur?“). Dies mag bereits 2019, aber vor allem 2020 ein Thema werden. Eine Fed, die ab der zweiten Jahreshälfte 2019 immer weniger Raum für weitere Zinsanhebungen hat, sowie ein erhöhter Druck auf den US-Dollar könnten wiederum den Handlungsspielraum der EZB deutlich einschränken – und dies gerade in einer Phase, in der die EZB gemäß der aktuellen Erwartungen ihre Zinswende einleiten sollte.
China: Unsicherheit trotz stabilen Wachstums
Rund ein Drittel der weltwirtschaftlichen Dynamik generiert China. Eine bedeutende Abkühlung der chinesischen Wirtschaft hätte somit spürbare Implikationen für die Weltkonjunktur. Zudem gäbe es auch keine andere Volkswirtschaft, die eine chinesische Schwäche kompensieren könnte. In den letzten Jahren hat sich China jedoch als stabiler Wachstumstreiber erwiesen. Dennoch wird schon länger auf steigende Risiken aufgrund der privaten Überschuldung, möglicher Immobilienblasen, fauler Kredite, von Geisterstädten sowie einer zu hohen Investitionsquote hingewiesen, die zu Fehlallokationen führt. Grundlegende Prognoserevisionen – geschweige denn ein Wachstumseinbruch – gab es bisher allerdings nicht. So liegen die Prognosen Jahr für Jahr relativ nahe an den offiziellen Zielen der chinesischen Regierung. Dies ist für den Ausblick 2019 nicht anders. Weniger hervorgehoben werden hingegen die strukturellen Veränderungen in China. Dazu gehören nicht nur der wachsende Konsum und die sinkende Investitionsquote sowie eine Leistungsbilanz, die in Relation zum BIP deutlich zurückgegangen ist. Dazu gehört auch eine immer breiter aufgestellte Wertschöpfung der chinesischen Industrie. China als Produktionsstandort für Billiggüter abzustempeln, ist immer weniger angebracht. Dies wiederum lässt erwarten, dass China auch auf der Angebotsseite mit zunehmenden Innovationsaktivitäten weltweit Wachstumsimpulse liefern wird – zumindest mittelfristig.
Trotz des stabilen Wachstumspfades und des fiskalischen Handlungsspielraumes ergeben sich auch in China Volatilitäten bei volkswirtschaftlichen Daten. Dies war an den enttäuschenden Pkw-Neuzulassungen zu erkennen, die schwächer ausfielen als zu Beginn des Jahres erwartet worden war. Festzuhalten ist, das ständig zunehmende Gewicht Chinas in der Weltwirtschaft bringt ein niedrigeres BIP-Wachstum mit sich, während der Wachstumsbeitrag nicht notgedrungen sinken muss. Aufgrund der strukturellen Veränderungen, Herausforderungen in der Handelspolitik sowie den bekannten Risikothemen sollte auch 2019 die Sorge über die Nachhaltigkeit des chinesischen Wachstums anhalten. Dies bedeutet, dass chinesische Konjunkturdaten ihren starken Einfluss auf die weltweite Stimmungslage behalten. Der Wachstumsbeitrag Chinas für die globale Konjunktur sollte 2019 relativ stabil bleiben. Eine zunehmende Volatilität bei den Indikatoren könnte jedoch für erhöhte Nervosität sorgen.
Zusammenfassung: BIP-Prognosen für die Weltwirtschaft, FX-Prognosen für ausgewählte Währungen, US-Zinsprognosen
Das Jahr 2019 wird durch erhöhte Risiken und Unsicherheit geprägt sein. Ein derartiges Umfeld reduziert die Belastbarkeit von Punktprognosen und erhöht die Risikoaversion von Investoren – in der Real- wie auch in der Finanzwirtschaft. Dies spricht für eine Schwankungsanfälligkeit bei den Finanzmärkten. Ein reifer Konjunkturzyklus in Kombination mit strafferer Geldpolitik lässt die Besorgnis weiter zunehmen, wobei hier nicht steigende Zinsen von Bedeutung sind, sondern vor allem eine robuste Konjunkturerholung. Denn wenn Konjunkturzweifel zunehmen, wird die Geldpolitik mit sinkenden Zinsen darauf reagieren; deshalb ist bei einem Konjunktureinbruch nicht mit einer Schuldenfalle in den USA oder in Europa zu rechnen.
Europa und EZB: Ein weiteres Jahr des Ausharrens?
Konjunkturausblick: auch 2019 ein stabiles Wachstum?
Die Euro-Zone zeigt seit 2015 ein relativ stabiles BIP-Wachstum von ca. 2 %. Und auch für 2019 spricht vieles dafür, dass die Dynamik anhalten sollte. Arbeitsmarkt und Lohnentwicklung bilden das Fundament für einen stabilen Verlauf des privaten Konsums. Gleichzeitig stützt der relativ schwache Euro-Devisenkurs die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Zone. Auch bleibt die Wachstumsdynamik in den neuen EU-Mitgliedstaaten (EU-6) positiv und die Geldpolitik der EZB unterstützend. So ist 2019 vor allem aufgrund des Ausblicks für den privaten Konsum von einem BIP-Wachstum in der Euro-Zone von 1,7 % auszugehen.
Es scheinen weniger der kurzfristige Konjunkturausblick als vielmehr die strukturellen Sorgen zu sein, die den Wachstumsausblick belasten. So können einige kriselnde EU-Länder immer noch keine bedeutenden Fortschritte bei der Senkung ihrer Schuldenquoten verzeichnen. Allerdings stellt die EZB-Geldpolitik sicher, dass die Zinslast für die Euro-Länder weiterhin niedrig bleibt bzw. weiter sinken sollte, sodass sich dadurch ein gewisser fiskalischer Spielraum ergeben dürfte. Die Ausnahme hierzu bildet Italien, dessen Kapitalmarktfähigkeit grundsätzlich gefährdet ist und ohne die aktuelle EZB-Geldpolitik nicht besteht könnte (siehe „Italien: Regierung der fehlenden Verantwortung“). Die Schuldentragfähigkeit der Euro-Zone insgesamt scheint auch bei einer wenig überzeugenden Konjunkturentwicklung weiterhin gesichert zu sein. Dies bedeutet allerdings, dass die Geldpolitik in diesem Umfeld weiterhin unterstützend sein muss und wird.
Von besonderer Bedeutung für die Konjunktur der Euro-Zone – und insbesondere Deutschland – sind die Entwicklungen, die mit dem Brexit zusammenhängen. Aktuell ist nur schwer einzuschätzen, wie der Austritt tatsächlich ausgestaltet sein wird, und wie die zukünftigen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU sein werden. Grundsätzlich ist die EU trotz Jahren des Wirtschaftswachstums durch zahlreiche Baustellen gekennzeichnet. Hierzu zählen neben dem Brexit die Flüchtlingspolitik und der Fiskalpolitikstreit zwischen wachstumsschwachen Euro-Ländern und der EU. Dieser mag weniger ein italienisches oder französisches Problem darstellen, als vielmehr ein Symptom für eine falsche Anreizstruktur und fehlendes nachhaltiges Wachstum sein. Mit permanenten Hilfsmaßnahmen und einer weitreichenden Intervention der EZB auf den Zins- und Renditemärkten ergibt sich nicht nur weniger Handlungsdruck für Staaten, deren Wirtschaftswachstum nachhaltig enttäuscht, sie nutzen auch die Möglichkeit, durch Eskalation der Probleme Druck auf die Euro-Zone auszuüben.
EZB-Geldpolitik und Euro/US-Dollar-Kurs: Zinspolitik als der einzige sichere Anker
Angesichts der Bedeutung niedriger Zinsen für die Schuldentragfähigkeit vieler Euro-Länder ist noch auf Sicht von einer unterstützenden Geldpolitik auszugehen. Und dies weniger, weil sich die EZB genötigt sieht, einzelnen Ländern unter die Arme zu greifen. Es geht vielmehr darum, dass die Probleme großer Euro-Länder die Konjunkturaussichten der gesamten Euro-Zone belasten, unter anderem weil sich mit ausweitenden Risikoprämien die systematischen Bankenrisiken erneut zunehmen. So mögen die Zinsen perspektivisch zwar steigen; inflationsbereinigte positive Zinsen sind jedoch auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Dies gilt vor allem dann, wenn ein aufwertender Euro bzw. ein abwertender US-Dollar bereits für eine geldpolitische Straffung in den Jahren 2019 und 2020 sorgen könnten.
Inflation in der Euro-Zone: weiterhin kein Thema
Es gibt weiterhin keine Anzeichen einer grundlegenden Zunahme der Teuerung, kurz- wie mittelfristig. Kurzfristig sollten der aktuelle Rückgang des Ölpreises und die Möglichkeit einer Euro-Aufwertung die Inflationsrate 2019 deutlich unter der EZB-Zielgröße halten. Mittelfristig sind es der grundsätzlich fehlende Kostendruck – entweder durch Lohnstückkosten oder Importpreise – und die trotz niedriger Zinsen immer noch überschaubare Geldmengenausweitung, die gegen eine steigende Inflationsrate sprechen. Die Geldmenge M3 ist im laufenden Jahr nur um knapp 4,0 % gestiegen, und ihr Verlauf deutet weder auf eine zu expansive Geldmengenausweitung hin, noch auf eine zu expansive Geldpolitik (siehe „Euro-Zone: Geringes Geldmengenwachstum entschärft Inflationsrisiko“).
Zwar erholt sich der Arbeitsmarkt in der Euro-Zone, und die Löhne steigen dementsprechend. Das Wachstum der Lohnstückkosten bleibt jedoch weiterhin moderat und unter dem für die EZB-Zielgröße notwendigen Niveau. Hierfür ist nicht nur eine schwache Nachfrage in einigen Ländern verantwortlich, sondern auch Reformbestrebungen für eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit. Die Importpreisinflation, die 2017 und 2018 infolge der globalen Konjunkturerholung zulegen konnte, scheint sich ebenfalls abzuflachen (siehe „Sind Sorgen über kurzfristig steigende Inflation gerechtfertigt?“).
Zusammenfassung: BIP-Prognosen und Inflationsprognosen für wichtige Euro-Länder und Großbritannien, Zinsprognosen für die Euro-Zone
Die Euro-Zone bleibt eine Baustelle. Dies betrifft notwendige Wachstumsreformen, eine fehlende einheitliche Fiskalpolitik sowie die Schuldentragfähigkeit einiger Länder, die ohne geldpolitische Hilfe nicht gegeben wäre. Benötigt wird ein anhaltend hohes Wirtschaftswachstum, um die Probleme zu lösen bzw. Konflikte überdecken zu können.
Konjunkturrisiken und ein fehlender Konsens über die „richtige“ Fiskalpolitik führen zu einem stärkeren Risikobewusstsein, vor allem was die Schuldentragfähigkeit vieler Euro-Länder angeht. Dies verunsichert die Finanz- und Realwirtschaft und erfordert eine anhaltend unterstützende Geldpolitik. Insgesamt ist die EZB gut beraten, auch weiterhin eher reaktiv zu handeln.
Wachstum Deutschland: Es kommt auf das Detail an
Konjunktur: eintrübende Erwartungen belasten den Ausblick
Die deutsche Wirtschaft sollte 2018 um 1,5 % zugelegt haben. Auch wenn dies im Kontext des deutschen Potenzialwachstums (zwischen 1,4 % und 1,6 %) als durchaus respektabel erscheint, ist nach einem BIP-Wachstum von 2,5 % im Jahr 2017 durchaus Ernüchterung angebracht. Auch kannten die Prognoserevisionen im Verlauf von 2018 nur eine Richtung – nach unten. Dies hat nicht nur die Stimmung auf den Finanzmärkten belastet, sondern auch in der Realwirtschaft. Es besteht die Gefahr, dass die Konjunkturlage deutlich schlechter wahrgenommen wird, als sie tatsächlich ist, und sich zunehmend selbsterfüllende Prophezeiungen breit machen. Im vierten Quartal 2018 sollte die deutsche Wirtschaft allerdings wieder ein überzeugendes Wachstum geliefert haben, nicht zuletzt aufgrund der Aufholeffekte der Automobilindustrie. Allerdings deuten jüngste Stimmungsindikatoren wie das ifo Geschäftsklima und PMI-Umfragen auch für das erste Quartal 2019 auf ein relativ schwaches Wachstum hin.
Wachstumstreiber: Wiederbelebung des Exports möglich?
Ein stabiler, wenn auch nicht besonders dynamischer Wachstumstreiber ist der private Konsum, den der Dienstleistungssektor bedient. Der boomende Arbeitsmarkt sowie stabile reale Lohnsteigerungen sorgen zunehmend für einen Anstieg des verfügbaren Einkommens. Allerdings stellen Wohnkosten den größten Ausgabenblock dar, der durch steigende Mieten mehr und mehr an Bedeutung gewinnen wird und das diskretionäre Einkommen reduziert. So ist zwar zu erwarten, dass dank der Einkommenssteigerungen der private Konsum stabil wachsen wird und auch 2019 den bedeutendsten Wachstumstreiber darstellen sollte. Rückschlüsse für den Ausblick des Verarbeitenden Gewerbes sind hingegen schwieriger.
Der deutsche Export hat trotz des kräftigen Wachstums des internationalen Handels 2018 verstärkt Gegenwind bekommen. So ist das Exportwachstum nach 5,3 % (2017) auf geschätzte 2,5 % (2018) zurückgegangen. Auch für 2019 ist das Risiko einer weiteren Wachstumsverlangsamung nicht zu vernachlässigen. Zu den Unsicherheiten zählen die US-Handelspolitik und der Ausblick für die britische Konjunktur. Großbritannien ist mit einem Anteil von 6,6 % an den deutschen Exporten fast so bedeutend wie China (6,7 %). Allerdings ist für den deutschen Export das Prognoserisiko dennoch ausgeglichen. Dies ergibt sich zum einen aus den Schwellenländern, deren Wachstum sich 2019 durchaus dynamischer entwickeln könnte als aktuell angenommen. Es liegt zum anderen aber auch am stabilen Konjunkturausblick für Europa. Rund die Hälfte der deutschen Exporte ist nach wie vor für die EU ohne Großbritannien bestimmt.
Investitionen 2019: ein weiteres Jahr der Vorsicht?
Schon seit vielen Jahren wird in Deutschland der Begriff des „Investitionsstaus“ verwendet, um die eher träge Investitionsdynamik zu beschreiben. Und auch wenn Ausrüstungsinvestitionen in den Jahren 2017 und 2018 zulegen konnten, so ist der Begriff weiterhin nicht ganz aus der Luft gegriffen. Allerdings geht es weniger um einen Stau von Investitionen, als um deren Fehlen. Unternehmen sind in ihrer Investitionsentscheidung und ihrem Vertrauen in die Zukunft immer noch von den Auswirkungen der Finanzkrise vor gut 10 Jahren geprägt. Das Ergebnis ist eine eher zurückhaltende und weniger opportunistische Investitionsbereitschaft (siehe „Deutschland – Investitionsdynamik: Krisenerfahrung sitzt tief“). Auch für 2019 geht die IKB angesichts der Unsicherheiten von einer eher gedämpften Investitionsdynamik aus. Allerdings gibt es bei den Branchen des Verarbeitenden Gewerbes deutliche Unterschiede.
Branchenausblick: ähnliche Entwicklungen eher unwahrscheinlich
Rund 50 % der Produktion des deutschen Verarbeitenden Gewerbes werden exportiert. Nach dem Boomjahr 2017, als mit 3,6 % das größte Produktionsplus seit 2011 erzielt wurde, hat sich die Exportdynamik 2018 relativiert. Dies liegt zum einen an dem deutlichen Produktionserfolg von 2017 in Verbindung mit zunehmend ausgelasteten Produktionskapazitäten, die zusammen temporär eher für eine Stabilisierung denn für ein erneut hohes Wachstum sorgen. Es liegt aber auch an einem wenig überzeugenden Exportwachstum. Insgesamt sollte das Verarbeitende Gewerbe für 2018 ein Produktionswachstum von 1,5 % zeigen. Diese Verlangsamung geht mit einer deutlich größeren Spreizung der Branchendynamik einher. Auch 2019 kann aufgrund des Wachstumsausblicks von einer eher heterogegen Entwicklung der Branchen ausgegangen werden. Zudem dürfte die Dynamik deutlich schwächer ausfallen.
Zusammenfassung: BIP-Prognose, Inflations-und Branchenprognose
Der Ausblick für die deutsche Wirtschaft ist stabil und das Prognoserisiko eher ausgeglichen. Der private Konsum sollte auch 2019 einen stabilen Wachstumsbeitrag liefern, während der Ausblick für Exporte und Investitionen zwar mit erhöhtem, aber durchaus ausgeglichenem Prognoserisiko einhergeht. Allerdings wird die Dynamik nicht ausreichend hoch sein, um für alle Branchen des Verarbeitenden Gewerbes einen homogenen Gleichlauf der Produktion sicherzustellen.
Fokusthema Währungen: Gleichlauf versus Volatilität
Steigende US-Renditen trotz erhöhter globaler Unsicherheit
Die gute globale Konjunkturentwicklung im Jahr 2017 hat die strukturellen Probleme vieler Länder überdeckt und den Devisenkursen der Schwellenländer Stabilität verliehen – gerade im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren. 2018 scheint sich das Blatt jedoch gewendet zu haben. Eine weniger überzeugende Konjunkturdynamik und eine Zunahme der globalen Risiken, die unter anderem aus der US-Handelspolitik resultieren, haben die Devisenkurse der Schwellenländern erneut unter Druck kommen lassen. Einige Länder wie die Türkei, Südafrika oder Argentinien zeigen zudem erhebliche innenpolitische Probleme.
10-jährige US-Renditen haben sich bei einem Niveau von über 3 % eingependelt. Ursachen sind die weiterhin guten US-Konjunkturdaten und die Möglichkeit, dass die Fed ihren Leitzins über das neutrale Niveau hinaus anheben könnte. Bei einem Leitzins zwischen 3,0 % und 3,5 % Ende 2019 dürfte das lange Ende der US-Zinskurve weiter nach oben tendieren. Allerdings bleibt die Kurve relativ flach, was andeutet, dass die Renditemärkte keinen nachhaltigen, bedeutenden Anstieg der Fed Funds Rate über dieses Niveau hinaus erwarten. Auch die jüngste Volatilität auf den Zins- und vor allem Aktienmärkten zeigt, wie hoch die Unsicherheit bei Anlegern ist – insbesondere, wenn die Effekte der US-Steuersenkungen auslaufen bzw. womöglich eine übertriebene Verlangsamung der Wachstumsdynamik mit sich bringen könnten. Eine prozyklische Fiskalpolitik hat im Auf- und Abschwung größere Ausschläge zur Folge, vor allem, wenn die Steuerreform zu keinem nachhaltig höheren Wirtschaftswachstum führt. So sollte angesichts der anhaltenden Risiken nicht nur die Volatilität hoch bleiben, der Peak der US-Renditen kann bereits 2019 erreicht sein.
Im Zusammenhang mit steigenden US-Renditen wird oftmals auf den daraus resultierenden Abwertungsdruck bei Währungen von Schwellenländern verwiesen. In diesem Zusammenhang fällt häufig der Begriff „Ansteckungseffekt“. Steigende, also attraktiver werdende US-Renditen verstärken demnach den Druck auf Devisenkurse der Schwellenländer, was zu einem Abfluss von Kapital aus den Schwellenländern und im Anschluss zu Abwertungen ihrer Währungen führt. Doch aktuell gibt es noch einen weiteren globalen Einflussfaktor auf einen möglichen Abwertungsgleichlauf der Devisenkurse von Schwellenländern – nämlich die Eintrübung der Konjunkturaussichten bzw. die zunehmende globale Risikoaversion der Finanzmärkte, die ebenfalls Druck auf Devisenkurse von Schwellenländern ausüben könnte. Hieraus ergibt sich nicht nur die Frage, ob tatsächlich ein Gleichlauf der Devisenkurse von Schwellenländern zu erkennen ist und dieser zu einem erhöhten systematischen Risiko führt. Es stellt sich ebenfalls die Frage, was der Grund für einen Gleichlauf sein könnte – der Einfluss der US-Zinsen oder die globale Risikoaversion infolge einer sich eintrübenden Konjunktur?
Besteht ein „Gleichlauf“ der Schwellenländer?
Ein erster und einfacher Vergleich der in Tabelle 9 aufgeführten Devisenkurse zeigt, dass die durchschnittliche Korrelation 2018 aufgrund der genannten Risiken und Faktoren relativ hoch war. Dieser aktuelle Gleichlauf sollte aber nicht lange anhalten, denn die Korrelation über den gesamten betrachteten Zeitraum 2012 bis 2018 liegt deutlich niedriger. Korrelationen sind in der Regel zeitabhängig und nicht durchweg stabil: Einflüsse wie geldpolitische Wenden oder eine erhöhte Risikoaversion können kurzfristig Volatilität verursachen. Doch ein Gleichlauf scheint weniger wahrscheinlich. Die Korrelation der Devisenkurse von Schwellenländern zum US-Dollar unterscheidet sich nicht deutlich von den Korrelationen, die Industrieländer gegenüber dem US-Dollar aufweisen. Das gilt für die Euro-Zone, Schweiz, Japan, Großbritannien, Kanada, Australien und Südkorea für den gesamten Zeitraum 2012 bis 2018 und insbesondere auch für das turbulente aktuelle Jahr. Temporäre Ansteckungseffekte scheinen demnach nicht nur ein Phänomen bei Entwicklungsländern zu sein. Die Frage ist also, was die Gründe für einen Gleichlauf von Devisenkursen bei Schwellen- und Industrieländern sind. Spielen tatsächlich die US-Zinsen eine tragende Rolle, oder sind es andere und vor allem unterschiedliche Gründe?
Empirische Analysen zeigen, dass die Devisenkurse der Schwellenländer sehr wohl einen systematischen Gleichlauf aufweisen. Sprich: Es gibt globale Faktoren, die in der Tat alle Devisenkurse beeinflussen. Dieser Gleichlauf ist allerdings nicht so dominant, wie oftmals angenommen wird, und vor allem nicht ausgeprägter als bei industrialisierten Ländern. Im Gegenteil: IKB-Berechnungen deuten sogar an, dass die Devisenkurse von Schwellenländern weniger anfällig für globale Entwicklungen sind. Der systematische Gleichlauf ist also bei den Schwellenländern nicht ausgeprägter, sondern eher geringer als bei industrialisierten Ländern. Da die Volkswirtschaften von Schwellenländern grundsätzlich volatiler sind als die von industrialisierten Ländern, ist dies naheliegend. Ansteckungseffekte gibt es somit bei Devisenkursen von Schwellen- als auch von Industrieländern; allerdings sind die Treiber andere.
Was sind die makroökonomischen Risikotreiber?
Ein gewisser Gleichlauf der Währungen ist nicht überraschend. Schließlich sind alle Währungen zum US-Dollar quotiert. Der offensichtliche Treiber des Gleichlaufs wären demnach die Stärke oder Schwäche des US-Dollar. Veränderungen des US-Dollar-Kurses erklären allerdings nur 15 % des systematischen Gleichlaufs bei Schwellenländern. Werden US-Renditen hinzugezogen, steigt der Erklärungsbeitrag nur leicht auf 18 %, wobei die statistische Signifikanz der US-Renditen nicht überzeugend ist. Steigende US-Zinsen haben somit alleine nur einen sehr begrenzten Einfluss auf das systematische Risiko der Devisenkurse von Schwellenländern. Die Behauptung, Devisenkurse der Schwellenländer würden alleine aufgrund der US-Geldpolitik gemeinsam auf- oder abwerten, lässt sich demnach nur sehr begrenzt bestätigen.
Bei Devisenkursen von Schwellenländern geht es eher um die spezifische Entwicklung in den jeweiligen Ländern und damit vor allem um die Risikoeinschätzung der Märkte. So ist die globale Risikoaversion, gemessen an den Spreads eines in US-Dollar geführten Portfolios von High-Yield-Unternehmensanleihen, ein viel bedeutender Treiber als die Entwicklung der US-Zinsen. Die allgemeine Risikoaversion alleine erklärt rund 30 % der Devisenkurskorrelation und ist somit der bedeutendste Bestimmungsfaktor für den systematischen Gleichlauf der Schwellenländer. Erhöht sich demnach die globale Risikoaversion und steigen infolgedessen die Risikoprämien an, ergibt sich für alle Devisenkurse ein Abwertungsdruck gegenüber dem US-Dollar-Kurs. Da jedoch eine höhere Risikoaversion zu sinkenden US-Renditen und zu einer US-Dollar-Stärke führt, sollten auch eher sinkende und keine steigenden US-Renditen mit einem erhöhten Gleichlauf bzw. Ansteckungseffekten der Schwellenländer einhergehen.
Für die Industrieländer ergibt sich ein anderes Bild. Der durch globale makroökonomische Treiber bestimmte Gleichlauf ist deutlich höher und erklärt rund 60 % der Devisenkursvolatilität. Dies ist nicht überraschend, da diese Länder eine homogenere bzw. bonitätsstärkere Gruppe darstellen als die Schwellenländer, bei denen länderspezifische Themen eine größere Rolle spielen. Es bedeutet jedoch auch, dass die Devisenkurse von Schwellenländern eine höhere Diversifikation aufweisen als die von Industrieländern.
Für Devisenkurse von Industrieländern erklärt der US-Dollar-Kurs fast die Hälfte des systematischen Gleichlaufs. Eine US-Dollar-Stärke bzw. -Schwäche ist somit für Industrieländer von deutlich größerer Bedeutung als für Schwellenländer. Die Risikoaversion ist ebenfalls von Bedeutung, allerdings bei Weitem nicht so stark wie bei den Schwellenländern. Sie erklärt nur 5 % des durch makroökonomische Treiber bestimmten Gleichlaufs der Devisenkurse von Industrieländern und ist somit eher zu vernachlässigen. US-Renditen sind hingegen von größerer Bedeutung als bei den Schwellenländern. Doch hier bleibt der Erklärungsgrad ebenfalls eher überschaubar, auch wenn die Stärke oder Schwäche des US-Dollar sicherlich mit der Zinspolitik zu tun hat.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Zudem lehrt der promovierte Volkswirtschaftler an der Nelson Mandela University in Südafrika. Zuvor arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen.
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