[Industrials, Mobility & Construction vom 15. März 2024]

In unserer jährlich erscheinenden Studie zur Automobilindustrie haben wir analysiert, wie sich die bilanziellen Verhältnisse der Zulieferer in den Jahren 2020 bis 2022 entwickelten. Dieser Beitrag hingegen schaut nach vorne und beleuchtet die wichtigsten Trends und Themen bei den deutschen Zulieferern in diesem Jahr.

Material-, Energie und Personalkosten:

Die relative Entspannung bei den Kosten für Vormaterialien, die im Jahr 2023 zu beobachten war, ist im ersten Quartal 2024 in eine Seitwärtsbewegung mit leichter Aufwärtstendenz übergegangen. Für das Restjahr sind vor dem Hintergrund der konjunkturellen Entwicklung keine großen Preissprünge bei den Industriemetallen zu erwarten. So haben Cobalt, Nickel und insbesondere Lithium im letzten Jahr einen deutlichen Rückgang auf das Preisniveau von 2021 erlebt.

Die Energiekosten bleiben weiterhin ein wichtiger Faktor. Die Großhandelspreise für Gas und Strom sind im Vergleich zum Sommer 2022 deutlich gesunken und liegen mittlerweile auf dem Niveau zu Beginn des Ukraine-Krieges. Höhere Netzentgelte und die CO2-Besteuerung wirken jedoch dieser Entspannung entgegen, trotz Wegfall der EEG-Umlage. Im internationalen Vergleich ist Deutschland nicht wettbewerbsfähig, im europäischen Vergleich liegt es im Mittelfeld. Unternehmen, die ihren Bedarf kurzfristig am Terminmarkt decken, können von einem positiven Effekt profitieren. Bei den Lohnkosten erwartet die Industrie laut einer Umfrage des Ifo-Instituts im Mittel eine Steigerung von 4 %.

Fazit:

Die relative Entspannung bei den Kosten für Vormaterialien und Energie im Jahr 2023 setzt sich im ersten Quartal 2024 fort. Jedoch werden leichte Aufwärtstrends für 2024 erwartet. Bei den Lohnkosten wird mit einem weiteren zusätzlichen Anstieg gerechnet. Dies belastet weiterhin die Rentabilität der Zulieferer, insbesondere im Umfeld gestiegener Finanzierungskosten.

Kompensationsverhandlungen

Auch in diesem Jahr erwartet die IKB signifikante Herausforderungen bei den Verhandlungen zwischen Zulieferern und OEM. Während in den letzten Jahren aufgrund der massiv gestiegenen Material- und Energiepreise vor allem über eine Kompensation dieser Kostensteigerungen verhandelt wurde, zeichnet sich in diesem Jahr eine andere Entwicklung ab. Die zunehmende Indexierung von Preisen wichtiger Vormaterialien reduziert das Risiko für die Zulieferer hinsichtlich möglicher Kostensteigerungen in der Lieferkette. Auf Basis der Entwicklungen in den letzten Monaten und dem signifikant reduzierten Auftragsbestand in der Industrie erwarten wir weiterhin deutliche Abweichungen der Abrufvolumina seitens der OEM und somit eine Unterauslastung außerhalb der branchenüblich vereinbarten Schwankungsbreiten.

Produktion & Verkäufe

Deutschland

Derzeit sehen wir nachfrageseitig keine Impulse, die für eine besondere Steigerung der Verkaufszahlen von PKW in Deutschland sprechen. Im besten Fall erwarten wir Verkaufszahlen, die im niedrigen einstelligen Prozentbereich über dem Vorjahr liegen. Bei der Produktion hängt das tatsächliche Wachstum maßgeblich von der weiteren Entwicklung der Absatzzahlen batterieelektrischer Fahrzeuge ab. Ein Wachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich geht einher mit einer BEV-Quote von mehr als 20 %. Der Auftragsbestand ist seit Beginn 2023 rückläufig und mittlerweile knapp über dem Niveau von 2019, während die Produktion das 2019er Niveau übersteigt.

Europa

In Europa lag die Werksauslastung der größten Autobauer in 2023 unter dem Niveau von 2019 und die resultierenden Produktionszahlen sogar deutlich unter dem Niveau von 2019. In Summe wird für Europa ein weiterer Rückgang der Produktionszahlen im niedrigen einstelligen Prozentbereich erwartet, während für die Verkaufszahlen eine Fortsetzung des positiven Trends aus dem Jahr 2023 erwartet wird. Als wesentlicher Trend weitet sich das Export-Import-Delta in 2024 deutlich aus. Neben der Offensive chinesischer OEM auf dem europäischen Markt planen auch europäische OEM eine Ausweitung der Stückzahlen, die in China für den Export nach Europa produziert werden. Für 2024 werden Produktionsvolumina für den Export nach Europa in Höhe von rund einer Million Fahrzeugen erwartet, davon entfallen Kapazitäten von mehr als einer halben Million Fahrzeuge auf chinesische OEM.

OEM Perspektive

Die Prognosen der deutschen OEM lassen für 2024 bestenfalls auf gleichbleibende oder leicht rückläufige Stückzahlen hoffen. Zudem beobachten wir aktuell zurückhaltendere Prognosen hinsichtlich des kurzfristigen Hochlaufs der batterieelektrischen Mobilität. Letztendlich erwarten wir, dass diese kurzfristigen Abschwächungen nicht den langfristigen Trend brechen. Gleichzeitig erwarten wir eine kurzfristige Verschiebung der Produktionsvolumina zugunsten höherer Anteile an Verbrenner- und Hybridantrieben als zuletzt geplant. Die globale Dominanz elektrifizierter Antriebsstränge wird voraussichtlich erst in der ersten Hälfte der 2030er Jahre erreicht.

Im Bestreben der OEM die Ergebnismargen stabil zu halten, wird es insbesondere in 2024 weiteren Druck auf die Preise der Zulieferer geben. Für batterielektrische Fahrzeuge liegt dabei der größte Einzelhebel in der Batterie. Durch den Ausbau von Produktionskapazitäten und bei weiterhin vergleichsweise niedrigen Rohstoffpreisen, sollte es den OEM möglich sein, diesen Hebel zu nutzen.

 

Nachhaltigkeit

Aus der Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ergeben sich für 2024 Herausforderungen, aber auch Chancen – insbesondere für größere Unternehmen ab 250 Mitarbeitern, mit einer Bilanzsumme über 25 Mio. € oder einem Umsatz über 50 Mio. €. Mit dem Geschäftsjahr 2025 wird für diese Unternehmen ein Nachhaltigkeitsbericht als Teil der nicht finanziellen Berichterstattung nach verbindlichen Berichtsstandards (ESRS) zur Pflicht. Das Geschäftsjahr 2024 sollten die Unternehmen aktiv nutzen, um sich auf diese kommende Berichtspflicht vorzubereiten. Konkretisiert sollten sie also die doppelte Wesentlichkeitsanalyse durchführen, relevante Datenpunkte sammeln und die eigenen Prozesse und Systeme an die neuen Anforderungen anpassen. Aus den Erfahrungen in den Projekten mit unseren Kunden zeigt sich dieses Vorgehen als große Chance, da es frühzeitig notwendige Investitionen identifiziert, die dann frühzeitig eingeplant und mit attraktiven Fördermöglichkeiten unterlegt werden können. Des Weiteren führt die zukünftig verpflichtende Berichterstattung zur intensiven Auseinandersetzung mit den eigenen Nachhaltigkeitsrisiken. So lassen sich Schwachstellen, z.B. in der eigenen Lieferkette, identifizieren und Maßnahmen definieren, um diese zu beheben. In Summe ergibt sich ein Gesamtbild zur Transformation des Geschäftsmodells.

Da das Thema Nachhaltigkeit in der Automobilindustrie bei den Vergaben der OEM seit Jahren an Bedeutung gewinnt und die meist mittelständisch geprägten Zulieferer nachhaltiges Wirtschaften als Teil ihrer DNA verstehen, liegt aus unserer Sicht das Hauptaugenmerk darauf, bereits laufende Aktivitäten im Sinne der Berichtspflichten zu bündeln.

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Dennis Rheinsberg
Direktor
Energy, Utilities & Resources

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