[IKB-Information Automobilzuliefer-Industrie – Ausgabe 01/2020]
Hinweise auf die Finanz- und Ertragssituation der deutschen mittelständischen Zulieferer liefert schon seit Jahren eine von der IKB regelmäßig durchgeführte Analyse der Jahresabschlüsse insbesondere größerer mittelständischer Unternehmen. Die aktuelle Auswertung zeigt, dass sich bereits im Jahr 2018 die eintrübende Konjunktur auf die Ertrags- und Geschäftslage der Automobilindustrie durchgeschlagen hat – betroffen waren vor allem kleine Zulieferer. Dieser Trend dürfte sich im Jahr 2019 noch deutlich stärker fortgesetzt haben. Der Produktionseinbruch in der deutschen Industrie und vor allem in der Automobilbranche hat sich entgegen den Erwartungen als deutlich langlebiger gezeigt als anfangs erwartet und wird auch in den Kennzahlen von 2020 zu erkennen sein, vor allem, weil mit keiner deutlichen und schnellen konjunkturellen Erholung zu rechnen ist. Dennoch ist der Einfluss dieser Einwicklung auf Unternehmen der Zulieferindustrie eher heterogen:
- Die Eigenmittelquoten von vor allem kleineren Zulieferern sind unter Druck
- Ertragskraft und Profitabilität gehen grundsätzlich und insbesondere bei kleineren Unternehmen zurück. Dennoch steigt die Investitionsquote gerade bei ihnen weiter und deutlich an.
1. Einleitung
In die traditionelle IKB-Auswertung von Abschlüssen deutscher mittelständischer Automobilzulieferer sind in dieser Analyse rd. 50 Unternehmen berücksichtigt worden – eine gleich große Anzahl wie im letzten Jahr. Die Jahresumsätze der einzelnen Firmen liegen zwischen 50 Mio. € und mehreren Milliarden €. Für etwas mehr als die Hälfte der Firmen stehen auch Zwischenergebnisse für das erste Halbjahr 2019 zur Verfügung. Auf dieser Basis können einige Aussagen über die Entwicklungstendenzen im Gesamtjahr 2019 gemacht werden.
Bei den ausgewiesenen Kennziffern handelt es sich um nicht gewogene Durchschnitte aus den Kennziffern. Da die jetzige Auswertung zum Teil andere Firmen als im letzten Jahr umfasst, weicht das Niveau der Vergleichswerte teilweise leicht von den Vorjahreswerten ab. Im Vordergrund der Analyse steht allerdings in erster Linie die Veränderung der Kennziffern und weniger deren absolutes Niveau.
Die Bilanzauswertung gibt einen Einblick, wie gut die Unternehmen im Jahr 2018/19 aufgestellt waren bzw. aktuell aufgestellt sind, und ist somit eine Momentaufnahme der jüngsten Entwicklung. Diese analysieren und kommentieren wir im Kontext makroökonomischer Erwartungen und Trends.
2. Deutsche Konjunktur: Automobilindustrie stärker betroffen als in der Finanzkrise?
Seit der zweiten Jahreshälfte 2018 wird zunehmend von einer Krise der Automobilindustrie auf der Angebots- und Nachfrageseite gesprochen. Dabei hat sich diese Krise als deutlich nachhaltiger erwiesen, als anfänglich erwartet worden war. Die Einflüsse auf Produktion und Neuzulassungen sind somit nicht nur auf einmalige und kurzlebige Sonderfaktoren zurückzuführen. Der Abschwung zieht sich nun schon gut 18 Monate hin und eine deutliche Korrektur ist nicht zu erwarten – eher eine langsame Erholung. Deshalb zeigt sich die Schwäche der Automobilindustrie auch spürbar und verstärkt in den Jahresabschlüssen der Unternehmen.
In Folge der Finanzkrise war die weltweite Automobilproduktion deutscher Hersteller im Jahr 2009 um fast 9 % eingebrochen, – deutlich stärker als 2018 (ca. -1 %). Im Jahr 2010 gab es bereits eine deutliche Erholung und die Pkw-Produktion erhöhte sich um über 18 %, auch wegen weitreichender Konjunkturprogramme. In den ersten zehn Monaten des Jahres 2019 lag die weltweite Produktion deutscher Hersteller um 2,5 % unter der des vergleichbaren Vorjahreszeitraums. Dies kann durchaus als wenig dramatisch angesehen werden. Allerdings verdecken diese Zahlen eine deutlich divergierende Dynamik bei der inländischen Produktion deutscher Hersteller und deren Produktion im Ausland. Liegt der Fokus nur auf der Inlandsproduktion, dann sind die Zahlen um einiges besorgniserregender als während in der Finanzkrise.
Der Produktionsrückgang trifft vor allem die Pkw-Produktion in Deutschland. Die Auslandsfertigung deutscher Hersteller blieb dagegen relativ stabil bzw. erholt sich bereits wieder: In den ersten zehn Monaten des Jahres 2019 wurden international 0,7 % mehr Fahrzeuge von deutschen Herstellern produziert als im vergleichbaren Zeitraum 2018. Gegenüber 2017 liegt das Plus bei 6,7 %. Für die deutsche Produktion gelten allerdings andere Zahlen: In den ersten elf Monaten des Jahres 2019 lag die Produktion rund 9 % unter der des vergleichbaren Vorjahreszeitraums. Gegenüber den ersten zehn Monaten von 2017 beträgt der Rückgang sogar 17 %. Die aktuelle Schwächephase des Automobil-Produktionsstandortes Deutschland hält aktuell deutlich länger an und ist vom Ausmaß erheblich schlimmer als die während der Finanzkrise. Im Jahr 2009 ist die inländische Pkw-Produktion um 10 % zurückgegangen, dieser Einbruch konnte aber bereits im darauffolgenden Jahr 2010 wieder vollständig wettgemacht werden. Automobilzulieferer, die eher von der globalen als von der deutschen Produktion abhängig sind, sollten weitaus weniger stark belastet sein als Zulieferer, die sich vor allem auf die deutsche Produktion fokussieren und global weniger stark vernetzt sind (s. auch IKB-Barometer Dez. 2019).
3. Auswertung der Jahresabschlüsse – Kleine Unternehmen sind konjunkturell besonders betroffen
Gemäß der Jahresabschlussanalyse der Bundesbank (Monatsbericht Dez. 2019) hatten die deutschen Fahrzeugbauer einen deutlichen Anstieg ihrer Zins- und Personalaufwendungen zu verzeichnen. Insbesondere höhere Pensionsverpflichtungen haben einen nennenswerten Beitrag geliefert, denn infolge des anhaltenden Niedrigzinsumfelds sank der Abzinsungszinssatz. Dieser Zinssatz beruht auf historischen Durchschnittswerten und dürfte auch in den kommenden Jahren sinken, was den Barwert der berechneten Pensionsansprüche grundsätzlich weiter nach oben treiben sollte. Doch nicht nur die erforderliche Aufstockung der Pensionsverbindlichkeiten haben die Personalaufwendungen weiter ansteigen lassen, sondern auch kräftige Lohnsteigerungen und der anhaltende Beschäftigungsaufbau.
Die gestiegenen Personalkosten spiegeln sich auch in den IKB-Jahresabschlüssen der Automobilzulieferer. Die Personalquote ist 2018 über alle Unternehmensgrößenklassen weiter angestiegen. Die Gesamtkapitalrendite hat sich hingegen deutlich verringert – das gilt für alle Unternehmen, aber insbesondere für die kleineren. Bei Zulieferern mit einem Umsatz von über 1 Mrd. Euro war der Rückgang weniger stark ausgeprägt.
Laut Bundesbank konnten größere Unternehmen die Gewinnverluste aus Produktionsausfällen durch ihre höhere Anzahl von Beteiligungen besser abfedern. So sind die Beteiligungserträge vor allem bei den großen Unternehmen deutlich gestiegen. Kleineren Unternehmen, die weniger international tätig sind und deshalb mehr von der deutschen Produktion abhängen, stehen diese Möglichkeiten weniger zur Verfügung. Bei ihnen schlug der Produktionsrückgang demnach deutlich stärker in die Gewinnzahlen durch, wie die IKB-Auswertung zeigt. Die Ertragslage der Unternehmen (EBT) kam im Jahr 2018 grundsätzlich unter Druck. Doch es waren vor allem kleinere Unternehmen (unter 1 Mrd. € Umsatz), die hiervon besonders betroffen waren. Für sie hat sich die Ergebnisquote (EBT-Quote) von 5,6 % im Jahr 2017 auf 2,8 % im Jahr 2018 halbiert.
Gemäß IKB-Auswertung ist die Investitionsquote im Jahr 2018 weiter und deutlich angestiegen. Dies gilt vor allem für kleinere Unternehmen. Bei Ihnen verdoppelte sich im Vergleich zu 2016 die Investitionsquote. Denn die angebotsseitigen Strukturveränderungen in Deutschland, aber möglicherweise auch ein zunehmender Zwang zu globalisieren, nötigen insbesondere kleinere Zulieferer trotz schwindender Gewinne zu starken Investitionsanstrengungen. Bei größeren Unternehmen war die Investitionsquote der Jahre 2016 bis 2018 relativ stabil bzw. in der Tendenz eher rückläufig.
Nicht überraschend ist folglich auch der Rückgang der Eigenmittelquote gerade bei kleineren Unternehmen. Auch hier zeigt sich ein gegenläufiger Trend. Denn größere Unternehmen zeigten im Jahr 2018 im Vergleich zum Jahr 2016 höhere Eigenmittelquoten.
IKB-Auswertungen der Abschlüsse für das erste Halbjahr 2019 zeigen, dass sich die Kennzahlen weiter deutlich verschlechtern dürften. Der Umsatz stagnierte, die Produktionszahlen deuten zudem auf keine Wende bei der Pkw-Produktion hin – vor allem in Deutschland.
4. Blick voraus und Einschätzung
Die prognostizierte Konjunkturentwicklung im Jahr 2020 lässt einen anhaltend hohen Druck auf die Rentabilität der Zulieferindustrie erwarten. Die Prognosen deuten zwar auf eine Erholung der globalen Absatzmärkte hin. Diese Belebung dürfte allerdings relativ flach verlaufen und nicht ausreichen, den Einbruch der Ergebnisquote von 2018/19 nennenswert zu korrigieren. Dennoch sollte im Jahr 2019 der Tiefpunkt erreicht worden sein. Während die globale Produktion bereits eine erfreuliche Dynamik zeigt, bleibt die deutsche Pkw-Produktion wohl auch im Jahr 2020 trotz deutlichem Rückgang in den Jahren 2018 und 2019 eher verhalten und ohne nennenswerte Erholungstendenzen. Die Jahresabschlüsse der Automobilzulieferer sollten sich demnach auch 2020 unterschiedlich und in Abhängigkeit ihrer Umsatzgröße sowie ihrer Abhängigkeit vom Produktionsstandort Deutschland entwickeln.
Fazit:
Technologische und strukturelle Veränderungen sowie ein deutlich stärker ausgeprägter Pkw-Produktionseinbruch in Deutschland scheinen vor allem kleinere Zulieferer zu treffen, die eher auf die inländische Automobilindustrie spezialisiert sind. Ihre Erträge sind weniger diversifiziert als die größerer Zulieferer, sodass sie im Jahr 2018 relativ stark unter Druck gerieten – ein Trend, der sich 2019 und 2020 fortsetzen sollte. Größere Zulieferer hingegen konnten ihre Erträge stabil gestalten.
Oftmals charakterisieren hohe Innovationsdynamik und durch technologische Veränderungen induzierte Verdrängungseffekte das Umfeld kleinerer Unternehmen. Dies erfordert Investitionsanstrengungen gerade in schwierigen Zeiten. Bestätigt sich die Erwartung, dass sich die Automobilproduktion in Deutschland weniger dynamisch erholt als die weltweite, wird der Globalisierungs- und Diversifizierungsdruck auf kleinere Zulieferer anhalten. Auch im Jahr 2020 ist mit einer heterogenen Entwicklung der Zulieferer zu rechnen.
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