[IKB-Information Automobilzuliefer-Industrie – Ausgabe 01/2023]

Hinweise auf die Finanz- und Ertragssituation der deutschen mittelständischen Automobilzulieferer liefert schon seit Jahren eine von der IKB regelmäßig durchgeführte Analyse der Jahresabschlüsse.

  • Im Jahr 2021 hat sich die Profitabilität der Automobilzulieferer verbessert. Insbesondere größere Unternehmen konnten ihre Rendite-Kennziffern ausweiten. Höhere Kosten konnten offenbar erfolgreich über den Preis weitergegeben werden. Kleinere Unternehmen unterlagen dagegen bereits im Jahr 2021 zunehmendem Margendruck.
  • Große Zulieferer mit zumeist internationalen Produktionsstandorten konnten ihre Investitionsquote steigern, während sie bei kleineren Unternehmen eher zurückgegangen ist. Dies bestätigt Sorgen, der Transformationsprozess am Produktionsstandort Deutschland komme nur begrenzt voran.
  • Im Jahr 2022 kam die Rohertragsquote unter Druck, höhere Kosten u. a. für Material, Energie und Logistik konnten oftmals nicht vollumfänglich oder nur mit erheblichem Zeitverzug an die Kunden weitergegeben werden. Der Ertragsdruck wird im Jahr 2023 voraussichtlich hoch bleiben. Zum einen sollte sich die Nachfrage abschwächen, zum anderen bleibt der Kostendruck aufgrund steigender Personal- und hoher Energiekosten insbesondere am Standort Deutschland bestehen. Dies sollte vor allem die Ertragslage kleinerer Unternehmen beeinträchtigen, die oft nur in Deutschland produzieren. Hinzu kommen schwierigere Finanzierungsbedingungen.

1. Einleitung

In der traditionellen IKB-Auswertung von Abschlüssen deutscher mittelständischer Automobilzulieferer wurden 63 Unternehmen berücksichtigt. Die Jahresumsätze der einzelnen Firmen liegen zwischen 30 Mio. € und mehreren Mrd. €. Für 30 Firmen standen bis September 2022 auch Zwischenergebnisse zur Verfügung.

Bei den ausgewiesenen Kennziffern handelt es sich um nicht gewogene Durchschnitte aus den Kennziffern. Da die aktuelle Auswertung zum Teil andere Firmen als im letzten Jahr umfasst, weicht das Niveau der Vergleichswerte teilweise leicht von den Vorjahreswerten ab. Im Vordergrund der Analyse steht allerdings in erster Linie die Veränderung der Kennziffern und weniger deren absolutes Niveau.

2. Der Automobilmarkt   

2.1 Globaler Ausblick – der Druck nimmt zu

Im Jahr 2021 stiegen die Pkw-Neuzulassungen um 4 % an. Die Entwicklung fiel aufgrund des regional unterschiedlichen Pandemieverlaufs sehr uneinheitlich aus. In China und den USA konnten die Neuzulassungen zulegen. In Europa gab es hingegen einen leichten Rückgang. Im Jahresverlauf hatten Versorgungsengpässe bei Halbleitern die Produktion und damit die Verfügbarkeit von Fahrzeugen erheblich eingeschränkt. Dies hatte im Sommer 2021 zu einem erneuten Rückgang bei den weltweiten Neuzulassungen geführt.

Insgesamt dürften die weltweiten Pkw-Neuzulassungen im Jahr 2022 etwas unter dem Niveau des Vorjahres gelegen haben; erst seit Juni 2022 liegt das monatliche Niveau der globalen Neuzulassungen über dem von 2021. Lieferengpässe treten mehr und mehr in den Hintergrund, eine Entwicklung, die im Jahr 2023 bis hin zur weitgehenden Normalisierung anhalten sollte. Problematisch wird im aktuellen Jahr allerdings die Nachfrageentwicklung. Deutliche Zinsanhebungen in den USA und Europa sollten sich negativ auf die Anzahl der Neuzulassungen auswirken. In den USA ist bereits eine spürbare Zunahme von Zahlungsverzögerungen bei Automobilkrediten bereits zu erkennen.

Die Neuzulassungen in China liegen ebenfalls seit Juni 2022 kontinuierlich über dem monatlichen Vorjahresniveau. Allerdings bleibt der Ausblick für China unsicher. Die Abkehr der Regierung von ihrer Zero-Covid-Policy hat zwar die Wahrscheinlichkeit eines partiellen Stillstands wichtiger Häfen und Städte reduziert. In welchem Maße die hohe Infektionsrate sowohl das Konsumverhalten als auch Lieferketten beeinflussen wird, bleibt hingegen abzuwarten. Eskalierende Infektionszahlen haben allerdings bereits zu Stillständen in mehreren Produktionsstätten geführt. Zumindest in der ersten Jahreshälfte 2023 dürfte die Unsicherheit anhalten. Für die zweite Hälfte 2023 wird hingegen eine Stabilisierung erwartet. Da in China mehr Pkws verkauft werden als in den USA und Europa zusammen, bleibt China wichtigste Stütze des globalen Absatzmarktes – zumindest in der zweiten Jahreshälfte 2023, wenn der Einfluss steigender Zinsen in den USA und der Euro-Zone in der Nachfrage zu erkennen sein sollte. Nach einem Wachstum von 4,3 % im Jahr 2022 wird allgemein von einem weltweiten Zuwachs der Neuzulassungen von ca. 3 % ausgegangen. Die IKB hält diese Prognose aufgrund des herausfordernden Umfelds für zu optimistisch.

2.2 Deutscher Automobilmarkt – strukturelle und konjunkturelle Herausforderungen belasten

Auch die deutschen Automobilhersteller litten 2021 unter der Halbleiterknappheit, die inländische Produktion sank um fast 12 % und die Auslandsproduktion um fast 4 %. Im Jahr 2022 dominierten dann der Ukraine-Krieg und seine Folgen. Aufgrund von Engpässen bei Vorprodukten aus der Ukraine musste die Produktion im März und April um 30 % bzw. 14 % ggü. dem Vorjahresniveau gedrosselt werden. Danach lagen die Fertigungszahlen fast durchgängig über den Vorjahreswerten. Insgesamt ergab sich für die Inlandsproduktion im Jahr 2022 ein Plus von 11 %. Die Neuzulassungen belebten sich erst im Herbst und führten für das Gesamtjahr zu einem Plus von 1,1 %. Der Grund für die schwachen Neuzulassungszahlen in der ersten Jahreshälfte 2022 war vor allem die mangelnde Pkw-Verfügbarkeit aufgrund der Produktionsprobleme aus den Vormonaten. Die Herbstbelebung dürfte auch von vorgezogenen Elektro-Pkw-Käufen profitiert haben, da ab Januar 2023 staatliche Fördersummen für E-Autos gekürzt wurden und für Plug-in-Hybride nicht mehr gezahlt werden. Insgesamt verfügen die Automobilhersteller nach wie vor über einen hohen Auftragsbestand, der die Nachfrage auch 2023 zunächst stabilisieren wird.

Trotz des Produktionsplus in Deutschland im letzten Jahr belastet der Strukturwandel die Fertigung am inländischen Standort. So wurde die Fertigung in Deutschland bereits in den letzten 5 Jahren von ehemals 5,7 Mio. Fahrzeugen um rd. 2,5 Mio. Fahrzeuge zurückgefahren, das entspricht -45 %. Dabei verzeichneten E-Autos letztes Jahr mit einem Anteil von 22 % an der Inlandsproduktion einen Zuwachs von über 25 %, Dieser Aufschwung der Elektromobilität geht allerdings einher mit einer Abkehr von den Verbrennungsmotoren. Der Absatz von Elektrofahrzeugen profitiert vom zunehmend verbesserten Angebot und der Verfügbarkeit attraktiver Elektromodelle, aber auch von der signifikanten staatlichen Förderung. Das trifft deutsche Hersteller besonders, da diese bisher vor allem bei Dieselfahrzeugen eine starke Position innehaben. Zudem sinkt seit vielen Jahren die Produktion von Klein- und Kompaktwagen in Deutschland.

3. Einschätzung der Jahresabschlüsse

3.1 Auswertung der Jahresabschlüsse 2021

Auf Grundlage der in der obigen Tabelle aufgeführten Kennziffern sind folgende Entwicklungen zu beobachten:

  • Infolge ansteigender Preise von Rohstoffen bzw. Vorprodukten ist die Materialeinsatzquote nach dem Rückgang im Vorjahr 2021 wieder angestiegen und hat das Niveau von 2019 übertroffen. Dies gilt vor allem für kleinere Zulieferer. Bei den großen Anbietern über 1 Mrd. Umsatz ist die Materialeinsatzquote stabil und sogar unter dem Niveau von 2019 geblieben. Große Unternehmen waren also besser in der Lage, dem Kostendruck aufgrund steigender Rohstoffpreise Stand zu halten.
  • Insgesamt ist die Personalaufwandsquote im Jahr 2021 zurückgegangen. Doch auch hier gilt: Von dem Effekt profitieren vor allem große Unternehmen. Sie konnten ihre Margen deutlich besser behaupten als kleinere Unternehmen. Mit einem voraussichtlichen spürbaren Anstieg der Lohnkosten im Jahr 2023 und anhaltend hohen Energiekosten ist mit weiter zunehmendem Magendruck am Standort Deutschland zu rechnen, vor allem bei kleineren Unternehmen.
  • Insgesamt ist die beschriebene divergierende Entwicklung auch beim Rohertrag ersichtlich. Während diese Quote bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen im Jahr 2021 zurückgegangen ist, konnten große Unternehmen ihre Effizienz sogar steigern – wenn auch nur marginal. Ihre Rohertragsrendite ist im Jahr 2021 von 44,2 % auf 44,3 % leicht angestiegen.
  • Nicht überraschend, ist die Gesamtkapitalrendite für große Unternehmen im Jahr 2021 deutlich stärker angestiegen als bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen.
  • Wie auch in den Jahren zuvor fällt die Investitionsquote der großen Unternehmen nicht nur höher aus, sie erweist sich auch als stabiler. So wurden die Investitionen im Verhältnis zum starken Umsatzanstieg trotz des herausfordernden Umfelds im Jahr 2021 ausgeweitet.  

Die Kennzahlen bestätigen, dass 2021 trotz schwacher Produktion und Nachfrage ein gutes Jahr für große Automobilzulieferer war. Sie konnten dem Kostendruck widerstehen, ihre Margen ausweiten und ihre Investitionsquote erhöhen. Kleinere Unternehmen litten hingegen unter eskalierenden Kosten. Insgesamt konnten die Unternehmen im Jahr 2021 jedoch in die Gewinnzone zurückkehren, große Zulieferer allerdings deutlich überzeugender. Dies hatte u.a. einen Anstieg der Investitionsquote zur Folge, was den Transformationsprozess der Automobilindustrie vorantreibt.

3.2 Umsatz und Rohertrag: Entwicklung 2022 und Ausblick

Trotz der Produktionshindernisse im Jahr 2021, die mit einem Produktionsrückgang einher gingen, konnten die Zulieferbranche ihre Umsätze kräftig um 13,5 % steigern; dies gilt mit +16 % auch für die Unternehmen der IKB-Stichprobe. Die Angaben für die ersten neun Monate von 2022 zeigen, dass sich dieser Trend fortgesetzt hat – wenn auch gemäßigter. Aufgrund der Inflations- und Erzeugerpreisentwicklung in den letzten beiden Jahren ist dies nicht überraschend.

Der Rohertragsquote ist im Jahr 2022 deutlich zurückgegangen. Die vor allem in der ersten Hälfte von 2022 eskalierenden Rohstoffpreise scheinen die Margen trotz anfänglich robuster Nachfrage unter Druck gesetzt zu haben, da die erhöhten Inputpreise offenkundig nicht kompensiert wurden. Eine weitere Entspannung bei den Lieferengpässen sollte zwar im Jahr 2023 für eine Verbesserung der Ertragsmargen sorgen; Allerdings könnte sich bei der erwarteten Dämpfung der Nachfrage der Margendruck bei den Herstellern im Jahr 2023 wieder erhöhen. Ob der Rückgang der Rohstoffpreise z. B. für Metall zu einer Margenerholung bei den Zulieferern führen wird, ist deshalb zweifelhaft – vor allem bei kleineren Unternehmen. Dies gilt auch deshalb, weil im Jahr 2023 sicherlich mit weiteren spürbar höheren Lohnforderungen und damit steigenden Lohnkosten sowie höheren Energiekosten am Standort Deutschland zu rechnen ist. Ein spürbarer Anstieg der Rohertragsquote ist folglich im Jahr 2023 eher unwahrscheinlich. Auch könnte die Quote von insbesondere kleineren Unternehmen ohne „internationalen footprint“ belastet werden.

Nicht überraschend hat der aufkommende Margendruck im Jahr 2022 die Profitabilität unter Druck gesetzt. Dies gilt für große wie kleinere Unternehmen. Hat sich das Ergebnis vor Steuern im Jahr 2021 vor allem für große Unternehmen verbessert, so ist der Rückgang im Jahr 2022 über alle Größenklassen zu erkennen. Ein weiterer Rückgang im Jahr 2023, wäre angesichts der erwarteten Nachfrageabschwächung sowie eines hohen Kostendrucks am Standort Deutschland nicht überraschend – betroffen wären insbesondere kleinere Unternehmen Zudem dürften sich die Finanzierungsbedingung erschweren.

3.3 Einschätzung

Eine divergierende Dynamik zwischen der Profitabilität großer und kleiner Unternehmen ist erneut zu erkennen und wird durch eine selektive Kompensation der gestiegenen Inputkosten bei den Automobilzulieferern verstärkt. Dies mag zu erwarten sein, geht aber im Kontext eines erforderlichen Transformations- und damit Investitionsbedarfs einher mit einem zunehmenden Verlust der Wettbewerbsfähigkeit kleinerer Zulieferer. Dies wird durch ein allgemein herausforderndes Finanzierungsumfeld forciert. Eine Stärkung des Standorts Deutschland hingegen erfordert einen breiten Erneuerungsprozess, was vor allem kleine Unternehmen einschließen muss. Schließlich haben sie einen deutlich höheren Wertschöpfungsanteil in Deutschland als die großen Unternehmen mit ausländischen Produktionsstätten. Auch wenn sich der Transformationsprozess grundsätzlich beschleunigt hat, besteht also die Gefahr, dass der Transformationsprozess am Produktionsstandort Deutschland nicht entscheidend vorankommt.

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Dennis Rheinsberg
Direktor
Energy, Utilities & Resources

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