[Consumer & Retail-Information vom 17. Juni 2020]
Die Coronakrise beherrscht seit Wochen die Nachrichten, andere wichtige und drängende Themen sind zum Teil aus dem Blick der Öffentlichkeit geraten. Am auffälligsten ist dies beim Thema Klimawandel. Zogen im vergangenen Jahr noch Tausende Demonstranten im Rahmen der Fridays for future-Bewegung mit großem Medienecho durch die Städte, ist es aktuell vergleichsweise ruhig geworden. Massive Eingriffe der Staaten gegen den Klimawandel sind bisher ausgeblieben und so schreitet dieser mit all seinen negativen Auswirkungen unvermindert voran – auch in Deutschland. Dieses Jahr erlebten wir bereits wiederholt lange Trockenphasen, einhergehend mit hohen Temperaturen und Starkregen.
Damit droht die Gefahr, dass 2020 ein ähnlich schwieriges Jahr für die Land- und Forstwirtschaft wird wie die Jahre 2018 und 2019. 2018 war als wärmstes Jahr seit Beginn der Messaufzeichnungen im Jahr 1881 nicht nur ungewöhnlich heiß, es hatte bis auf Januar auch ein großes Niederschlagsdefizit zu verzeichnen. Das Jahr 2019 brachte keine Entlastung, die Situation war ähnlich dramatisch, insgesamt zu warm und zu trocken, wenn auch nicht ganz so schlimm wie im Vorjahr.
Auch 2020 ist bis jetzt zu warm und zu trocken
2020 scheint den Trend zu bestätigen. Wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) meldet, war auch das Frühjahr deutlich zu warm und viel zu trocken. In den Monaten März, April und Mai fiel nur rund die Hälfte der vieljährigen Niederschlagsmenge, mancherorts war es gerade mal ein Drittel. So gehört das Frühjahr 2020 zu den sechs niederschlagsärmsten seit 1881. Ein Blick auf den Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung Leipzig (UFZ) verdeutlich die kritische Lage. Im Unterboden bis 1,80 Meter Tiefe herrscht in weiten Teilen Deutschlands eine extreme bis außergewöhnliche Dürre. Daran konnten auch die Niederschläge der letzten Tage nichts ändern. Lediglich für den Oberboden bis 25 Zentimeter Tiefe hat der Regen Ende April und in diesen Tagen zumindest in einigen Regionen für etwas Entlastung sorgen können. Die häufigen unwetterartigen Regenfälle bieten jedoch oft nur geringe Verbesserungen, da der trockene Boden die Wassermassen nicht aufnehmen kann. Damit bleibt auch die Situation im Oberboden besorgniserregend.
Trübe Aussichten für die Landwirtschaft, dramatische für die Forstwirtschaft
Für die Land- und Forstwirtschaft könnte dies ein weiteres schwieriges Jahr bedeuten. Angesichts der angespannten Witterungs- und Bodenverhältnisse ist die Vegetationsphase der Pflanzen massiv beeinträchtigt und im Nachgang auch die Produktionsphase mit Fruchtbildung und -reife. Auch in diesem Jahr muss mit unterdurchschnittlichen Erträgen gerechnet werden. Das Wetter im Frühjahr sorgte dafür, dass z. B. Wintergetreide und Raps in vielen Regionen deutlich langsamer wuchsen und Sommergetreide, Kartoffeln sowie Rüben kaum noch keimten.
Dramatischer ist die Situation für den Wald. Die Dürre der vergangenen Jahre hat große Schäden hinterlassen, die Trockenheit schwächt die Abwehrfähigkeit der Bäume gegenüber Schädlingen. Besonders Borkenkäfer stellen ein Problem dar, da sie bevorzugt geschwächte Bäume befallen. Gleichzeitig können junge Bäume nicht schnell genug nachwachsen oder sterben ab, weil sie vertrocknen – ihre Wurzeln sind zu kurz, um im ausgetrockneten Boden den abgesunkenen Grundwasserspiegel zu erreichen. Zunehmend sind größere Waldflächen betroffen, besonders in Fichten- und Monokulturen. Die Kahlflächen werden zahlreicher und das in einer Geschwindigkeit, bei der die Wiederaufforstung nicht hinterherkommt.
Negative Auswirkungen auf die Wirtschaft sind vielfältig
- Die offensichtlichsten Auswirkungen zeigen die Ernteerträge der Landwirtschaft. Die extreme Trockenheit im Sommer 2018 führte dazu, dass die Hektarerträge bei Getreide um 16 % unter dem dreijährigen Mittel der Vorjahre lagen. In den besonders betroffenen Gegenden war der Rückgang noch dramatischer: Schleswig-Holstein – 31 %, Brandenburg – 27 %, Sachsen-Anhalt – 26 %, Mecklenburg-Vorpommern – 25 % und Niedersachsen – 26 %.
- Ebenfalls unmittelbar betroffen ist die Nutztierhaltung. Verdorrte Weiden führen zu einer schwierigeren Grundfutterversorgung. Dann muss Futter zugekauft werden, das aufgrund des geringeren Angebots in Dürrejahren sprunghaft teurer werden kann. Auf Reserven können die Betriebe nach den Dürrejahren 2018 und 2019 nicht zurückgreifen.
- Aufgrund des Schädlingsbefalls und durch Sturmschäden stieg die Schadholzmenge in den vergangenen Jahren massiv an, sodass der Rundholzpreis deutlich zurückging. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft schätzt den Schadholzanfall für 2020 auf rund 160 Millionen Kubikmeter, wobei die Fichte besonders betroffen ist.
- Lange Dürreperioden führen zu niedrigen Wasserständen mit negativen Auswirkungen auf die Binnenschifffahrt. Zwar werden in Deutschland insgesamt nur rund 6 % der Güter per Schiff transportiert, für Rohstoffe wie Kohle, Erdöl, Erdgas oder chemischen Erzeugnissen ist dieser Transportweg mit einem Anteil bis zu 30 % jedoch wesentlich bedeutender. So kam es 2018 zu Produktionskürzungen und zu Engpässen bei Benzin und Diesel, weil Schiffe den Rhein nur mit Teilbeladung befahren konnten, auf Elbe und Oder musste der Schiffsverkehr auf größeren Abschnitten sogar ganz eingestellt werden.
- Nachgelagerte Industrien sind entsprechend betroffen, wenn aufgrund von Transportverzögerungen Produktionen gedrosselt werden müssen.
- Geringere Wasserverfügbarkeit und steigende Wassertemperaturen führen zudem dazu, dass Wasserkraftwerke und thermische Kraftwerke ihre Leistung reduzieren müssen.
- Der Winter- und Ski-Tourismus in den Alpen leidet zunehmend unter ausbleibenden Schneefällen.
- Ausgetrocknete Böden und Bäume erhöhen das Waldbrandrisiko und führen genauso zu allgemeinen wirtschaftlichen Schäden wie Überschwemmungen.
- Hinzu kommen die langfristig negativen globalen Auswirkungen für die exportabhängige deutsche Wirtschaft.
Das Thema wird wieder in den Fokus geraten
In den vergangenen Jahren ist das Thema Klimawandel mit all seinen Konsequenzen und Herausforderungen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die zahlreichen Auswirkungen des Klimawandels auf das Leben in Deutschland werden greifbar. Verbraucher antizipieren dies zunehmend in ihrem Konsumverhalten. In allen Segmenten sind Hersteller und Handel gefordert, die gesamte Wertschöpfungskette nachhaltiger zu gestalten. Die Anstrengungen, die Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten, scheinen vor dem Hintergrund der schnellen Klimaveränderungen noch nicht ausreichend. Zudem ist davon auszugehen, dass die Gesellschaft weitere Veränderungen verlangen wird. Die Politik wird auf nationaler wie auch auf EU-Ebene mit entsprechenden Umweltstandards und gesetzlichen Vorgaben reagieren.
Eine aktive Anpassungsstrategie ist der beste Weg, sich den unternehmerischen Herausforderungen des Klimawandels zu stellen. Die zur Umsetzung notwendigen Investitionen werden flankiert durch Fördermittelprogramme der KfW. Insbesondere der Mittelstand soll bei künftigen Investitionsmaßnahmen unterstützt werden, die auf eine treibhausgasneutrale Produktion hinwirken.
Dass die Politik, aber auch die Gesellschaft insgesamt im Stande sind, schnell extreme Maßnahmen im Notfall zu ergreifen, zeigt die aktuelle Coronakrise. Das bleibt in Erinnerung und wird sicherlich auch von der Fridays for future-Bewegung thematisiert werden. Dass es sich auch beim Klima um einen Notfall handelt, ist längst Konsens.
Daniel Schönekäs ist Abteilungsdirektor im Sektorteam Consumer, Retail, Logistics & Health der IKB. Er ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank in den Branchen Konsumgüter und Handel und im Speziellen für die Bereiche Holzwirtschaft, Papier & Verpackungen zuständig. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Leipzig stieß er 2014 zur IKB, wo er seine ersten Berufsjahre in der volkswirtschaftlichen Abteilung absolvierte.
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