[Kapitalmarkt-News vom 21. Januar 2020]
Der Goldpreis steigt in der Tendenz seit Mitte 2018. Auslöser waren vor allem die Umkehr zu einer expansiveren Fed- Zinspolitik und daraus resultierende deutlich sinkende US-Renditen. Der aktuelle Goldpreis kann vollständig durch seine fundamentalen Treiber 10-jährige US-Renditen, US-Inflation sowie Devisenkurs des US-$ erklärt werden und zeigt kein kurzfristiges Korrekturrisiko. Denn um die aktuelle Entwicklung des Goldpreises zu stoppen bzw. eine Abwärtskorrektur einzuleiten, wäre ein deutlicher Anstieg der US-Renditen in Verbindung einer dynamischeren US-Konjunktur erforderlich.
Falls sich die US-Konjunktur 2020 überraschend deutlich eintrübt und die Fed die Zinsen bereits in diesem Jahr senkt, könnte der Goldpreis die Marke von 1.700 US-$ pro Unze erreichen. Das Risiko eines nennenswerten Goldpreisverfalls kann als deutlich geringer eingeschätzt werden.
Dynamik seit Mitte 2018 – ein anhaltender Aufwärtstrend?
Hohe Schuldenquoten, niedrige Zinsen und eine schwächelnde Konjunktur stellen den Werterhalt des Geldes und die Stabilität des aktuellen Finanzsystems infrage. Die anhaltende Krisenpolitik der Notenbanken und die daraus folgende Zinspolitik verstärken Ängste vor einer schleichenden Entwertung des Vermögens. Dies gilt insbesondere für die Euro-Zone, in der Geldmarktsätze und risikofreie Renditen schon seit Jahren niedriger ausfallen als die Inflationsrate und zudem sogar negativ notieren. Auch in den USA sind risikofreie Anleihen im Vergleich zur dortigen Inflationsrate alles andere als eine werterhaltende Anlage. Seit der Finanzkrise hat Gold deshalb an Attraktivität gewonnen, und sein Preis konnte zuletzt weiter zulegen.
Die meisten Prognostiker erwarteten Anfang 2019 einen eher stabilen Goldpreis. Es dominierte die Erwartung, dass sich die globale Konjunktur belebt, die Fed die Zinsen weiter anheben wird und die Unsicherheit über den globalen Handel bzw. die US-Handelspolitik endet. In solch einem Kontext hätte die Sorge über den Werterhalt von Vermögen eine untergeordnete Rolle gespielt. Doch es kam anders: Die Fed hat die Zinsen gesenkt, und die Finanzmärkte haben aufgegeben, eine perspektivische Normalisierung des Zinsniveaus zu erwarten. Dies gilt in den USA wie in der Euro-Zone. So sind 10-jährige US-Renditen seit Anfang des Jahres 2019 von über 2,7 % auf unter 1,5 % im September 2019 gefallen; Bundrenditen sanken von 0,3 % auf unter -0,6 %. In der Folge ist der Goldpreis von Mai bis August 2019 um rund 200 US-$ auf 1.500 US-$ pro Unze gestiegen.
Seit September 2019 hat sich das Bild etwas stabilisiert. US-Renditen konnten auf 1,8 % zulegen, aber weitere deutliche Senkungen des US-Leitzins werden für 2020 als eher unwahrscheinlich angesehen. Auch der Goldpreisanstieg hatte Ende vergangenen Jahres an Dynamik verloren. Die geopolitischen Entwicklungen haben ihn jedoch zu Jahresanfang 2020 erneut deutlich nach oben bewegt. Zwar ist mit der Entspannung des USA-Iran-Streits auch der Goldpreis wieder etwas gesunken; er bleibt jedoch selbst nach einer Korrektur weiterhin auf hohem Niveau, und der seit Mitte des Jahres 2018 geltende Aufwertungstrend scheint weiter intakt zu sein. Wie ist das aktuelle Niveau des Goldpreises aus fundamental Sicht einzuschätzen, und wie stellt sich der Ausblick bzw. das Risikoprofil für 2020 dar?
Fundamentale Treiber des US-$-Goldpreises: 2019 war ein normales Jahr, …
Die IKB hat Anfang 2019 ein Modell zur Bestimmung des US-$-Goldpreises vorgestellt. Mit diesem Modell kann die Veränderung des US-$-Goldpreises durch die fundamentalen Treiber 10-jährige US-Renditen, US-Inflation sowie Devisenkurs des US-$ relativ gut abgebildet werden. Der Goldpreis wird demnach durch die Attraktivität risikofreier Investitionen bestimmt: Steigende US-Renditen reduzieren die Notwendigkeit eines sicheren Investitionshafens und setzen den Goldpreis unter Druck. Eine zunehmende Inflation hingegen stärkt ihn. Da der Goldpreis in US-$ quotiert wird, führt ein schwächerer US-$ zu einem Anstieg.
Eine ansteigende Inflation sorgt nicht unbedingt für höhere Goldpreise. Denn geht die Inflation mit deutlich steigenden realen Renditen infolge einer aktiven Geldpolitik einher, so mag sich dies sogar negativ auf den Goldpreis auswirken. Es ist eher die Kombination einer relativ niedrigen oder stabilen Inflation und einer außerordentlich expansiven Geldpolitik, die den Goldpreis stärkt. Erwartungen einer eskalierenden Inflation würden nur dann den Goldpreis stützen, wenn sich Notenbankinterventionen wie Ankaufprogramme nicht in steigenden Renditen niederschlägt.
Abb. 2 zeigt die „out-of-sample“-Prognosen des bis Ende 2018 geschätzten IKB-Modells. Auf Grundlage der Treiber sowie einer Modellschätzung wäre im Jahr 2019 demnach ein Anstieg des Goldpreises auf über 1.500 US-$ zu erwarten gewesen. Das Modell hat bereits für das zweite Quartal 2019 eine Korrektur prognostiziert. Diese hat sich zwar nennenswert erst im dritten Quartal gezeigt; die Dynamik des Goldpreises im Verlauf von 2019 ist aber dennoch konsistent mit den Modellerwartungen und damit den fundamentalen Bestimmungsfaktoren des Goldpreises. Anders ausgedrückt: Die Treiber für den Goldpreis sind 2019 unverändert geblieben. Wenn es eine Übertreibung gegeben haben sollte, dokumentiert sich diese eher im deutlichen Rückgang der US-Renditen als im Goldpreis. Auch hat eine Aktualisierung des Modells zu keinen bedeutenden Ergebnisänderungen geführt.
… und auch aktuell gibt es keine Überraschungen
Mit 10-jährigen US-Renditen von ca. 1,8 %, einer erwarteten US-Inflationsrate von 2,4 % im Januar 2020 (2,3 % im Dezember 2019) und der aktuellen Stärke des US-$, gemessen am Bloomberg US-$ Index signalisiert das IKB-Modell einen fundamentalen Goldpreis von rund 1.500 US-$ pro Unze im Januar 2020. Der aktuelle Goldpreis von 1.550 US-$ ist also durchaus konsistent mit seinen von der IKB unterstellten fundamentalen Treibern, und er deutet trotz des Anstiegs seit Anfang 2020 auf keine nennenswerte Übertreibung hin. Es gibt folglich auf Grundlage der Zinsentwicklung kein bedeutendes kurzfristiges Korrekturpotenzial. Entscheidend ist dabei jedoch weniger die aktuelle als vielmehr die zu erwartende Zins- und Inflationsentwicklung.
In höheren Lagen wird die Luft nicht unbedingt dünner
Für einen anhaltenden Anstieg des Goldpreises braucht es eine deutliche Zinssenkung der Fed, die die US-Renditen unter Druck setzt. Dies wiederum erfordert eine sich eintrübende US-Konjunktur. Aktuell wird von der Fed keine bedeutende Veränderung ihrer Zinspolitik für 2020 erwartet. Dennoch schätzt die IKB das Risiko von Zinssenkungen im Fall einer Verlangsamung des US-Wirtschaftswachstums – vor allem im Jahr 2021 – höher ein als das Risiko weiterer Zinserhöhungen. Infolge eines sich ausweitenden US-Haushaltsdefizits sowie einer nur moderat wachsenden US-Wirtschaft ist grundsätzlich von anhaltend niedrigen US-Renditen auszugehen. Damit sollte der Goldpreis aus fundamentaler und langfristiger Sicht nach wie vor viel Unterstützung erfahren. Die herausfordernde Frage ist dabei, ob der Goldpreis nach dem Anstieg zu Jahresanfang weiter Aufwärtspotenzial zeigt oder doch eher Abwärtspotenzial.
Sinkende Renditen würden eigentlich für einen schwächeren US-$ sprechen, was wiederum den US-$-Goldpreis stützen könnte. Allerdings bleibt fraglich, inwieweit die Fed den US- durch ihre Zinspolitik unter Druck setzen kann. Das Zinsdifferenzial vor allem zum Euro ist nun schon seit Jahren relativ stabil und beträchtlich. Eine bedeutende US-$-Abwertung zumindest gegenüber dem Euro bleibt angesichts der geldpolitischen Ausrichtung der EZB eher unwahrscheinlich (s. IKB-Kapitalmarkt-News 23. August 2019) .
Es bräuchte eine US- bzw. globale Rezession, um den Goldpreis weiter nach oben zu katapultieren. Somit sind es eher die Gefahr einer Deflation und eine daraus resultierende Zinspolitik, die den Goldpreis kurzfristig stützen werden. Die IKB hat drei Szenarien berücksichtigt, um das Risiko zukünftiger Goldpreisbewegungen einzuschätzen. Im Basisszenario sinken die US-Renditen infolge sich aufbauender Konjunktursorgen moderat bis Ende 2020 auf 1,5 %. Der US-$-Devisenkurs verliert nur 5 % an Wert und die Inflation steigt von 1,8 % im letzten Jahr auf 2,3 % in 2020. Dabei ist über die Hälfte dieses Anstieges Folge von Basiseffekten und somit kein Indiz für steigenden Inflationsdruck. Im ersten alternativen Szenario fallen die Zinsen stärker, 10-jährige US-Renditen beenden das Jahr 2020 bei 1,2 %, die Inflation liegt bei 1,7 % in 2020, und der US-$ wertet mit 10 % ab. Im zweiten alternativen Szenario steigen die Renditen aufgrund von erwarteten Fed-Zinsanhebungen in Verbindung mit einer positiven Konjunkturentwicklung bis Ende 2020auf 2,8 %, der US-$ wertet um 5 % auf, die Inflation steigt 2020 auf 2,6 %.
Einschätzung
Simulationsergebnisse zeigen, dass zwischen Basisszenario und der ersten Alternative kein grundsätzlicher Unterschied bei der Entwicklung des Goldpreises zu erkennen ist. Bei der zweiten Alternative würde der Goldpreis hingegen unter Druck geraten. Der aktuelle Goldpreis von 1.550 US-$ stützt eher Alternative 1; der Goldmarkt scheint also eher skeptisch gegenüber dem US-Konjunkturverlauf gestimmt zu sein.
Es bedarf einer neutralen bis skeptischen Einschätzung der US-Konjunktur und tendenziell sinkender US-Renditen, damit der Goldpreis in diesem Jahr weiter steigt. Schon ein moderater Rückgang der Renditen im IKB-Basisszenario reicht aus, um den seit Mitte 2018 anhaltenden Anstieg des US-$-Goldpreises aufrecht zu halten. Das Abwärtsrisiko für den Goldpreis 2020 bleibt hingegen überschaubar: Hierfür wären deutliche Anstiege der US-Renditen erforderlich.
Dr. Klaus Bauknecht ist als Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG verantwortlich für die volkswirtschaftlichen Analysen, Prognosen und Einschätzungen der Bank. Er schreibt zu aktuellen und übergeordneten Konjunktur-, Volkswirtschafts- und Marktthemen. Zudem kommentiert er regelmäßig konjunkturelle Entwicklungen in renommierten Wirtschaftsmedien und ist mit seinen pointierten Präsentationen häufiger Gast bei Verbänden und Unternehmen. Zuvor arbeitete Klaus Bauknecht in verschiedenen leitenden Positionen anderer Banken und im südafrikanischen Finanzministerium.
Hinterlasse einen Kommentar