[Consumer & Retail-Information vom 1. Juli 2022]
Massiv steigende Verbraucherpreise, insbesondere für Energie und Lebensmittel sowie die Verunsicherung durch den Ukraine-Krieg und seine Folgen bleiben nicht ohne Auswirkungen auf das Verbraucherverhalten. Der prognostizierte GfK-Konsumklimaindex für Juli rutschte auf -27,4 Punkte ab; der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebung für Gesamtdeutschland im Jahr 1991. Die Inflationsrate lag im Juni bei 7,6 %, für Nahrungsmittel erhöhten sich die Preise für die privaten Haushalte gegenüber dem Vorjahr sogar um 12,7 %.
Da wir bei Lebensmitteln und Getränken im weiteren Jahresverlauf von nochmals anziehenden Preisen ausgehen müssen, wird dies die Ausgabenbereitschaft und die entsprechenden Einkäufe negativ beeinflussen. Im Außer-Haus-Markt geht die IKB zudem davon aus, dass die erhoffte Erholung nach dem Abklingen der letzten Coronawelle und der Aufhebung der Kontaktbeschränkungen ausbleibt. Der Ausblick für die Getränkewirtschaft auf das Gesamtjahr 2022 und über den Jahreswechsel hinweg ist entsprechend verhalten.
Die Mengenentwicklung bei alkoholfreien Getränken (AfG) war bereits im vergangenen Jahr negativ, die Produktion der Erfrischungsgetränke- und Mineralbrunnen-Industrie lag mit 22,91 Mrd. Litern um 2,5 % unter dem Vorjahreswert (Quelle: Stat. Bundesamt, Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke e.V.). Stärker rückläufig waren mit -6,1 % die Segmente Mineralwasser – mit 13,39 Mrd. Litern die mengenmäßig größte Kategorie – sowie Schorlen/Wasser+ (-6,0 %). Relativ stabil entwickelten sich Süßgetränke mit -1,0 % sowie Fruchtsaftgetränke mit -0,1 %. Mit zweistelligen Zuwachsraten über Vorjahresproduktion lagen Energy Drinks und trinkfertige Kaffee-/Teegetränke, Wasser mit Aromen kam auf ein Plus von 4,2 %.
Mit dem Rückgang um insgesamt 578 Mio. Liter setzte sich die schwierige Vorjahresentwicklung fort. Gegenüber dem Vor-Corona-Niveau 2019 hat die Branche ein Produktionsvolumen von 1,61 Mrd. Litern verloren, davon alleine das Segment Mineralwasser 1,3 Mrd. Liter.
Die bestimmenden Trends der letzten Jahre waren: leichter Genuss, neue Aromen, Tees und Energy Drinks sowie eine weitere Verschiebung zu stillem Mineralwasser. Regionalität, Markenorientierung und Nachhaltigkeit als Kaufkriterien führten zu Wachstum bei Glas-Mehrweg. Zudem konnte die Dose als Convenience-Gebinde punkten, während PET-Einweg von einem hohen Niveau kommend deutlich verloren hat.
Zum Produktionsrückgang von Mineralwasser führt u. a., dass die Verbraucher – und hier insbesondere die jüngeren – zunehmend Leitungswasser als Alternative zu abgefüllten Produkten nutzen. Wassersprudler kommen nach IKB-Einschätzung mittlerweile auf einen Anteil von etwa 4 %, über die Zugabe von Sirup auch als Ersatz für abgefüllte (Marken)Süßgetränke.
Die mittelfristigen Trends scheinen klar zu sein, aber auch die Entwicklungen am aktuellen Rand?
Mittelfristig sieht die IKB den Absatz von alkoholfreien Getränken ohne das Mineralwassersegment in Summe weitgehend stabil. Geschmacksinnovationen werden Impulse setzen und Rückgänge z.B. bei Fruchtsaft/-nektar kompensieren. Bei Mineralwasser erwartet die IKB eine Fortsetzung des rückläufigen Verbrauchs mit einem strukturellen Minus von etwa 2 % p. a., was weiteren -1,3 Mrd. Litern bis Ende 2026 entspricht. Es ist davon auszugehen, dass Verbraucher, die als Alternative bereits zu Leitungswasser greifen, ihr Konsumverhalten in dem Punkt weit überwiegend nicht wieder umstellen und zusätzliche jüngere Verbrauchergruppen wechseln werden. Die Zuwachsraten bei Wassersprudlern werden sich wahrscheinlich abflachen, aber weiteren Konsum binden. Sirupe erzielen zumindest derzeit nicht die prognostizierte Akzeptanz, was den weiteren Ausblick trübt.
Das aktuell negative Konsumumfeld zeigt Wirkung. Die Verbraucher verschieben, teilweise erzwungenermaßen, Ausgaben zwischen den verschiedenen Konsumkategorien und auch innerhalb dieser. Zudem reduzieren sie ihre Budgets und orientieren sich bei ihrer Wahl der Einkaufstätten und der Preislagen um.
Für alkoholfreie Getränke bedeutet dies, dass Discounter, Preiseinstiegssegmente und Aktionsware über alle Einkaufstätten Marktanteile gewinnen. Die anhaltenden Kostensteigerungen bei den Mineralbrunnen und Erfrischungsgetränkeherstellern führen zu notwendigen Preisanpassungen; der langjährige Branchenstandard im Discount von 20 ct/Liter ist Vergangenheit. Durch den Preisauftrieb wird der „Ausstieg“ von Verbrauchern zum Leitungswasser weiter forciert und dies nicht nur als Abwanderung aus dem Mittel- und Einstiegspreissegment. Markenorientierung, Regionalität und Nachhaltigkeit als Entscheidungskriterien geraten klar in den Hintergrund, parallel dazu steigt wieder der Gebindeanteil von PET-Einweg.
Für das laufende Jahr rechnet die IKB derzeit mit einem Mengenrückgang um etwa 5 %, auch bedingt durch die ausbleibende Erholung der Gastronomie. 2023 sollte sich der Konsum von alkoholfreien Getränken stabilisieren, einhergehend mit einer Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und einer geringeren Inflation, und danach auf den skizzierten Trendpfad einschwenken. Damit werden spätestens 2024 auch wieder die Themen in den Vordergrund rücken, die bestimmend für die Entwicklung der letzten Jahre waren: insbesondere Nachhaltigkeit, Regionalität, Markenorientierung und ein Wachstum der Mehrweggebinde.
Johannes Sausen ist Direktor und Leiter des Sektorvertriebs der IKB sowie Head of Consumer, Retail, Logistics & Health. Sein persönlicher Branchenschwerpunkt liegt in den Bereichen Consumer Food, ausgewählten Consumer Nonfood-Segmenten sowie im Einzelhandel. Er ist involviert in Finanzierungs- und Corporate Finance-Transaktionen der Bank in den genannten Branchen. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln hat er seine ersten fünf Berufsjahre bei einer Unternehmensberatung absolviert, bevor er 1999 zur IKB stieß.
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