Steigende Zinsen und Inflation beunruhigen die Aktienmärkte

In den letzten Jahren lief es sehr gut für die Aktienmärkte. Zum einen stiegen die Unternehmensgewinne aufgrund der anhaltend guten Konjunktur. Zum anderen sanken die risikofreien Renditen durch die Zinspolitik sowie verschiedene Aufkaufprogramme der Notenbanken auf sehr niedrige Niveaus. Auch 2017, als die deutsche Wirtschaft kalenderbereinigt mit 2,5 % das höchste Wachstum seit sechs Jahren zeigte, beflügelte dieses Umfeld den Aktienmarkt. Nun schreitet die geldpolitische Wende aber auf beiden Seiten des Atlantiks in unterschiedlichem Tempo voran, und risikofreie Renditen haben sich von ihren Tiefständen in den USA und in der Euro-Zone (z. B. Bundrenditen) verabschiedet.

Zwar ist davon auszugehen, dass die Geldpolitik auch weiterhin grundsätzlich unterstützend sein wird und keine geldpolitische Straffung zur Abkühlung der Konjunktur in die Wege leitet. Allerdings befürchten viele Marktbeobachter einen stärkeren Inflationsanstieg, der die Notenbanken zu Zinsanhebungen zwingen könnte. Jüngste Reaktionen der Aktienmärkte brachten diese Befürchtungen zum Ausdruck. Daher stellt sich die Frage: Wie beeinflussen risikofreie Renditen die Bewertungen der Aktienmärkte? Geht von steigenden Renditen trotz guter Konjunktur ein erhöhtes Risiko für die Aktienkurse aus?

Deutliche Ergebnisse

Egal, ob tägliche, monatliche oder vierteljährliche Veränderungen im Fokus stehen, die empirischen Ergebnisse sind eindeutig: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des Dow Jones und die risikofreien Renditen (hier 10-jährige US-Renditen) haben ein positives Verhältnis zueinander. Steigen die Renditen, verbessert sich das KGV. Grund ist die Erwartung einer sich aufhellenden Konjunktur, die für eine Erhöhung der Renditen und eine Verbesserung der Aktienbewertungen sorgt. Deshalb bleibt das Umfeld für den US-Aktienmarkt weiterhin positiv, da zunehmende Renditen eher eine Bestätigung als eine Gefahr für die Konjunktur darstellen. Auch werden die Renditen nur dann weiterhin ansteigen, wenn die Fed die Zinsen nachhaltig anhebt. Hierfür muss sich der konjunkturelle Aufschwung allerdings fortsetzen. Eine Situation, in der die Renditen sowohl die Konjunktur als auch den Aktienmarkt unter Druck setzen, ist aktuell nicht zu erwarten. Denn die Gefahr steigender Zinsen aufgrund anziehender Inflation bei gleichzeitigem Konjunktureinbruch (genannt Stagflation) ist dank der globalen Vernetzung der Angebotsseite eher gering, da sie einen hohen Wettbewerb sicherstellt und den lokalen Preisdruck durch Lohnkosten dämpft. Das Risiko, dass die Fed trotz schwacher Konjunktur zu Zinsanhebungen genötigt werden könnte, ist deshalb zu vernachlässigen. Es bleibt die lokale Nachfrage, die für die Inflationsentwicklung und die Geldpolitik entscheidend ist.

Problematisch könnte es werden, wenn steigende Löhne den Gewinnausblick belasten und gleichzeitig eine geldpolitische Reaktion nötig wird. So sollte eher der zunehmende Lohndruck, der in Deutschland und den USA durchaus eine Rolle spielt, eine Herausforderung darstellen – und nicht steigende Renditen. Allerdings reagieren Notenbanken wie die Fed oder die EZB nicht auf steigende Lohnstückkosten, sondern auf Inflation. Und Lohnkosten führen nur dann zu höherer Inflation, wenn Unternehmen ihre Gewinnmargen halten können bzw. wenn es ausreichend Nachfrage gibt, um den Preisdruck weiterzuleiten. Ein Szenario aus steigenden Lohnstückkosten, hohem Margendruck für die Unternehmen und Zinsanhebungen der Notenbank ist deshalb unwahrscheinlich. Entsteht Inflation infolge eines Lohnkostendrucks, der eine Reaktion der Notenbank erfordert, ist dies ein Indiz für eine boomende Wirtschaft bzw. robuste Gewinnerwartungen.

Das positive Verhältnis zwischen US-Renditen und KGV-Bewertungen besteht nicht erst seit der Finanzkrise und ist damit kein Ergebnis der ultra-lockeren Geldpolitik. Auch vor der Finanzkrise, als die Fed sich weniger auf Konjunkturrisiken und mehr auf die Inflation fokussierte, unterstützten steigende Renditen das KGV des Dow Jones. Die Sorge, dass die Fed die Zinsen trotz eines schwachen Konjunkturumfelds anheben muss und steigende Renditen die Bewertungen unter Druck setzen, scheint daher auch aus historischer Sicht unbegründet zu sein. Seit der Finanzkrise hat sich jedoch die Sensitivität des KGV auf eine Veränderung der US-Renditen reduziert. Steigende Renditen haben somit einen weniger großen Einfluss als noch vor der Finanzkrise. Dies mag daran liegen, dass die Veränderungen der Renditen bei niedrigen Zinsniveaus an Bedeutung gewonnen haben. Insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass der Dow Jones infolge steigender Renditen und vor allem nach Jahren einer außerordentlich unterstützenden Geldpolitik unter Druck geraten könnte. Da jedoch die statistisch bedeutende Beziehung zwischen Renditen und US-Aktienbewertungen nicht nur für monatliche und vierteljährliche Entwicklungen gilt, sondern auch für tägliche Veränderungen, ist aufgrund der Nervosität an den Zinsmärkten durchaus mit größerer Volatilität auf den US-Aktienmärkten zu rechnen.

Auswirkungen auf den DAX

Beim DAX ist das Verhältnis zwischen Bundrenditen und KGV-Bewertungen weniger eindeutig. Zum einen hat eine Veränderung der Bundrenditen deutlich weniger Einfluss auf das KGV des DAX als die US-Renditen auf den Dow Jones. Zum anderen kann selbst eine statistisch bedeutende Beziehung zwischen den Variablen nicht bestätigt werden. Dies gilt für die Phase vor und nach der Finanzkrise. Diese Ergebnisse bedeuten, dass die Wirkung einer geldpolitischen Wende in Europa für die Bewertungen des DAX nicht überbetont werden sollte und dass steigende risikofreie Renditen nicht unbedingt eine Überwertung des DAX und damit ein erhöhtes Korrekturpotenzial signalisieren. Wie beim Dow Jones ist auch für den DAX entscheidend, dass Renditen nur mit einem anhaltend guten konjunkturellen Ausblick steigen. Deshalb stützt diese Entwicklung die Aktienbewertungen in den USA, während sie im Falle des DAX zumindest keinen negativen Einfluss hat.

Fazit

Steigende Zinsen und die Möglichkeit einer anziehenden Inflation beunruhigen die Aktienmärkte. Werden die steigenden risikofreien Renditen die Aktienbewertungen unter Druck setzen? Die Ursachen für den Renditeanstieg und das konjunkturelle Umfeld sind bei der Beantwortung dieser Frage einzubeziehen. Renditen erhöhen sich vor allem in Erwartung einer nachhaltigen geldpolitischen Straffung, die wiederum auf einen anhaltend guten Konjunkturausblick zurückzuführen ist.

Aus diesem Grund deutet ein Anstieg der US-Renditen auf ein steigendes Kursgewinnverhältnis des Dow Jones hin, was sich empirisch belegen lässt. Im Falle des DAX ist die Beziehung zwar weniger ausgeprägt, doch auch hier stellen die zunehmenden Renditen im aktuellen konjunkturellen Kontext keinen Risikofaktor für die Aktienbewertungen dar.